Rz. 37
Unter Wechselbezüglichkeit versteht man die gegenseitige innere Abhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen aus dem Zusammenhang des Motivs und wenn "eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll", § 2270 Abs. 1 BGB.
Beispiel
Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Der eine würde den anderen nicht zum Erben einsetzen, wenn nicht auch der andere ihn zum Erben einsetzen würde. Die eine Erbeinsetzung soll von der anderen abhängig sein.
Rz. 38
Die drei Aussagen von § 2270 Abs. 1 BGB:
(1) |
Definition der Wechselbezüglichkeit |
(2) |
Rechtsfolge bei Nichtigkeit einer Verfügung: Unwirksamkeit der anderen |
(3) |
Rechtsfolge bei Widerruf einer Verfügung: Unwirksamkeit der anderen |
Rz. 39
Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, so muss diese für jede einzelne Verfügung gesondert geprüft werden. Die Feststellung der Wechselbezüglichkeit ist nicht möglich, ohne konkret zu bestimmen, welche Verfügung des einen Ehegatten mit welcher Verfügung des anderen korrespondiert.
Rz. 40
Die Wechselbezüglichkeit kann nur angeordnet werden für Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Auflagen und erbrechtliche Rechtswahl (§ 2270 Abs. 3 BGB; das Entsprechende bezüglich der Vertragsmäßigkeit gilt im Übrigen für den Erbvertrag: § 2278 Abs. 2 BGB). Andere Verfügungen – bspw. Teilungsanordnung, Testamentsvollstreckungsanordnung – können nicht wechselbezüglich sein. Es unterliegt dem – erforderlichenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Willen der Erblasser, ob und in welchem Umfang jede einzelne Verfügung wechselbezüglich sein soll. Dieser "Verknüpfungswille" der Ehegatten muss feststellbar sein.
Dazu der BGH in BGHZ 30, 261, 265:
Zitat
"Da die Ehegatten frei darüber bestimmen können, ob und inwieweit ihre Verfügungen wechselbezüglich sein sollen, muß es ihnen auch gestattet sein, die Widerruflichkeit wechselbezüglicher Verfügungen über den im Gesetz vorgesehenen Rahmen hinaus zu erweitern (BGHZ 2, 35, 37)."
Das BayObLG:
Zitat
Nach § 2270 I BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (… OLG Hamm, FamRZ 2004, 662 = FGPrax 2003, 402). Maßgeblich ist der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BGHZ 112, 229/233). Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden (BGH, NJW-RR 1987, 1410).
Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, ist gemäß § 2270 II BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Diese Auslegungsregel ist erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel nicht zu beseitigen sind (BayObLG, FamRZ 1999, 1388/1389).
Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander muss dem Willen der testierenden Ehegatten entsprechen. Bloße Möglichkeiten, Vermutungen oder die Annahme des Wahrscheinlichen können dafür nicht ausreichen. Dabei brauchen die Schlussfolgerungen nicht zwingend zu sein. Es genügt, wenn sie möglich sind. Entscheidend kommt es darauf an, dass keine Zweifel mehr hinsichtlich des festgestellten Willens der Erblasser bestehen und dieser in den Verfügungen von Todes wegen zumindest einen Anhaltspunkt findet. Die Ermittlung, ob eine Verfügung wechselbezüglich ist oder nicht, hat nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu erfolgen. Da es sich bei der Testamentsauslegung um Tatsachenfeststellung handelt, obliegt sie allein den Tatsacheninstanzen.