Rz. 31
Ob testamentarische Verfügungen im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zueinander stehen, entscheiden die Ehegatten/Lebenspartner selbst. Es kommt insofern also auf den Erblasserwillen an. Wechselbezüglichkeit ist für jede einzelne testamentarische Verfügung gesondert zu prüfen. Sie kann nicht angeordnet werden für Teilungsanordnung, Testamentsvollstreckungsanordnung, familienrechtliche Anordnungen. Es unterliegt dem – erforderlichenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Willen der Erblasser, ob und in welchem Umfang jede einzelne Verfügung wechselbezüglich sein soll. Deshalb sollte jedes gemeinschaftliche Testament dazu Aussagen enthalten. Fehlen entsprechende eindeutige Aussagen im Testament, so wird in § 2270 Abs. 2 BGB Wechselbezüglichkeit vermutet, wenn sich die Ehegatten/Lebenspartner gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten/Lebenspartner eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten von diesem eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten/Lebenspartnerverwandt ist oder ihm sonst nahe steht. "Nahe stehend" i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB kann auch eine juristische Person sein.
Rz. 32
Ein Erbvertrag ist bindend, wenn er mindestens eine vertragsmäßige Verfügung enthält, § 2278 BGB. Hierbei können ebenfalls nur Erbeinsetzung, Vermächtnis- und Auflagenanordnung sowie Rechtswahl erbvertraglich bindend vereinbart werden, § 2278 Abs. 2 BGB. Die Bindung tritt ein, da es sich um einen Vertrag handelt, mit Abschluss des Erbvertrags, also mit der Unterschrift des Notars unter der Urkunde.
Rz. 33
Ein gemeinschaftliches Testament ist zu Lebzeiten beider Ehegatten bzw. beider eingetragener Lebenspartner nicht bindend; nach § 2271 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments zu Lebzeiten beider Testatoren nach den Rücktrittsvorschriften des Erbvertragsrechts (Zugang einer notariell beurkundeten Widerrufserklärung in Ausfertigung [die Ausfertigung ersetzt die Urschrift im Rechtsverkehr, § 47 BeurkG]).
Der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments befindet sich nach einer vom Erklärenden nicht zu verantwortenden unwirksamen Zustellung (einer beglaubigten Abschrift) weiterhin "auf dem Weg" zum Erklärungsempfänger, solange der Zustellungsauftrag (einer Ausfertigung) vom Auftraggeber nicht als abgeschlossen betrachtet wird. Daher kann durch alsbaldige nachfolgende Zustellung einer Ausfertigung der Widerruf noch wirksam erklärt werden.
Erst mit dem Tod eines der Testatoren tritt bezüglich der wechselbezüglichen Verfügungen Bindung des Überlebenden an die von ihm auf seinen Tod getroffenen Verfügungen ein, § 2271 Abs. 2 BGB. Enthält das gemeinschaftliche Testament jedoch eine Änderungsbefugnis für den überlebenden Ehegatten/Lebenspartner, so ist die Bindung insoweit eingeschränkt. Im Rahmen eines solchen Änderungsvorbehalts konnte der Erblasser eine vom gemeinschaftlichen Testament abweichende Verfügung treffen.
Die mittels eines Änderungsvorbehalts in einem gemeinschaftlichen Testament den Ehegatten wechselseitig eingeräumte Befugnis zur Abänderung wechselseitiger Verfügungen kann von der Zustimmung eines Dritten (hier: Testamentsvollstrecker) abhängig gemacht werden.
Rz. 34
Verzichtet ein in einem bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament eingesetzter Schlusserbe durch Zuwendungsverzichtsvertrag nach § 2352 BGB auf seine Rechte aus dem gemeinschaftlichen Testament, so wird die Bindung für den Erblasser gegenstandslos; er kann neu von Todes wegen verfügen.
Ein Zuwendungsverzicht kann (ebenso wie der Erbverzicht) durch notariellen Vertrag mit dem Erblasser wieder aufgehoben werden, wenn der Erblasser den Rechtszustand vor dem Verzicht durch Verfügung von Todes wegen nicht vollständig wiederherstellen könnte. Eine etwa vor dem Verzicht bestanden habende Bindung tritt dann wieder ein.
Rz. 35
Keine Bindungswirkung bei gesetzlicher Ersatzerbfolge beim Berliner Testament
BGH im Urt. v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01:
Erfolgte die Ersatzerbeinsetzung aber willentlich durch die Erblasser und findet die Ersatzerbfolge nicht lediglich auf der Grundlage der gesetzlichen Auslegungsregel statt, so kann die Ersatzerbeinsetzung trotzdem wechselbezüglich sein.
Die Auslegung der in einem notariellen Testament enthaltenen Formulierung "Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht benennen" kann ergeben, dass ein die Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB widersprechender Erblasserwille nicht feststellbar ist.
Die Ergänzungsregel des § 2069 BGB findet weder direkt noch analog Anwendung bei der Erbeinsetzung von Personen,...