Rz. 41

Das Gesetz nimmt Rücksicht darauf, dass ein Ehegatte seine Verfügungen im Vertrauen auf die Verfügungen des anderen Ehegatten trifft, von denen er – weil ein Entschluss zum gemeinsamen Testieren vorausgegangen ist – Kenntnis hat. Hätte der eine Ehegatte nicht in bestimmter Weise testiert, so hätte auch der andere nicht in dieser konkreten Weise verfügt. Aus diesem Grund bedingen sich wechselbezügliche Verfügungen gegenseitig in ihrer Wirksamkeit.

 

Rz. 42

Nichtigkeit – aus welchem Grund auch immer –,
Anfechtung oder
Widerruf der betreffenden Verfügung eines Erblassers

haben die Unwirksamkeit der Verfügung des anderen zur Folge (§ 2270 Abs. 1 BGB). Andere Gründe der Unwirksamkeit oder der Gegenstandslosigkeit einer Verfügung, wie

Ausschlagung,
Erbunwürdigkeit oder
Vorversterben,

führen nicht von selbst zur Unwirksamkeit der korrespondierenden Verfügung. Allerdings könnten die Erblasser für diese Fälle eine Bedingung vorsehen, die auch im Wege der Auslegung ermittelt werden könnte. Außerdem könnte ein Motivirrtum vorliegen, der gem. § 2078 Abs. 2 BGB zur Anfechtung berechtigt und damit im Ergebnis ebenfalls zur Unwirksamkeit führt. Werden einzelne Anordnungen über § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam, so bestimmt sich die Wirksamkeit der übrigen Anordnungen nach § 2085 BGB.

 

Beispiel

Die Eheleute M und F setzen sich in einem privatschriftlichen formgültigen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein. M leidet im Zeitpunkt der Testamentserrichtung an "Alzheimer" im Endstadium und ist infolgedessen testierunfähig.

Die Alleinerbeinsetzung zugunsten der F ist damit gem. § 2229 Abs. 4 BGB nichtig. Folglich ist auch die Alleinerbeinsetzung der F zugunsten des M unwirksam (§ 2270 Abs. 1 BGB).

 

Rz. 43

Bei der Aufhebung einer wechselbezüglichen Verfügung nach Erbausschlagung handelt es sich nicht um einen Widerruf i.S.d. § 2270 Abs. 1 BGB. Haben sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament unter Anordnung der Wechselbezüglichkeit sämtlicher letztwilliger Verfügungen gegenseitig zu Erben eingesetzt, dann handelt es sich bei der Erbausschlagung durch den Überlebenden nicht um einen Widerruf gem. § 2270 Abs. 1 BGB; sie hat daher auch nicht die Unwirksamkeit der wechselbezüglichen Verfügung des vorverstorbenen Ehegatten zur Folge.[59]

 

Hinweis

Wechselbezügliches Testament: Die Erbausschlagung durch den Überlebenden ist kein Widerruf i.S.v. § 2270 Abs. 1 BGB.

→ Keine Unwirksamkeit der korrespondierenden Verfügung des vorverstorbenen Ehegatten.

[59] OLG Celle ZErb 2009, 56 = ZEV 2009, 138.

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