Rz. 50
Ob die jeweiligen Verfügungen von Todes wegen im gemeinschaftlichen Testament insgesamt oder teilweise wechselbezüglich sind, entscheidet in erster Linie die Anordnung der Erblasser. Schließlich kann ein gemeinschaftliches Testament auch nur einseitige Verfügungen enthalten, die jederzeit von jedem Ehepartner ohne Kenntnis des anderen abgeändert werden können und nicht zu einer Bindungswirkung i.S.v. § 2271 Abs. 2 BGB führen. Findet sich daher hierzu keine ausdrückliche Bestimmung, ist die Frage der Wechselbezüglichkeit durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu klären.
Rz. 51
Nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ist zu ermitteln, ob eine oder mehrere wechselbezügliche Verfügungen vorliegen (§§ 133, 2084 BGB). Aus der Tatsache, dass Ehepartner in einer gemeinschaftlichen Urkunde zusammen testieren, kann grds. nicht automatisch gefolgert werden, dass wechselbezügliche Verfügungen vorliegen. Umgekehrt können u.U. auch getrennte Verfügungen der Ehepartner in zwei verschiedenen Urkunden zueinander wechselbezüglich sein.
Rz. 52
Ob eine Verfügung als wechselbezüglich auszulegen ist, hängt maßgeblich vom Willen beider Ehepartner zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ab. Dabei kann auch auf die ergänzende Testamentsauslegung zurückgegriffen werden, wenn es um Entwicklungen nach der Testamentserrichtung geht. Zu ermitteln ist im Rahmen der Auslegung der übereinstimmende Wille beider Ehepartner, ob also eine nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliche Auslegung auch dem Willen des anderen Ehepartners entspricht.
Rz. 53
Nicht erforderlich für die Feststellung der Wechselbezüglichkeit ist, dass sich die Ehepartner untereinander eine Zuwendung machen. Auch können in einem gemeinschaftlichen Testament nur die Verfügungen eines Ehepartners wechselbezüglich sein.
Im Rahmen der Auslegung ist die Wechselbezüglichkeit somit für jede einzelne Verfügung gesondert festzustellen. Es sind dabei der Wortlaut, der Gesamtzusammenhang des Testaments, das Verhältnis der Beteiligten und Bedachten untereinander sowie alle Nebenumstände und auch die allgemeine Lebenserfahrung zu berücksichtigen. Erst wenn die individuelle, ggf. auch die ergänzende Auslegung zu keinem Ergebnis führt, darf auf die Vermutungsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden.
Rz. 54
Nicht-Wechselbezüglichkeit bei Einsetzung der eigenen Verwandten:
Wenn sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben und zu Schlusserben teils Verwandte nur des einen Ehegatten und teils Verwandte nur des anderen Ehegatten einsetzen, so ist im Zweifel nur davon auszugehen, dass die gegenseitigen Erbeinsetzungen und die zugunsten der Verwandten des anderen Ehegatten getroffenen Verfügungen im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zueinander stehen, nicht jedoch, dass auch die Zuwendungen zugunsten der eigenen Verwandten voneinander abhängen. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, dass ein Ehegatte regelmäßig dem anderen das Recht belassen will, die Einsetzung derjenigen Schlusserben abzuändern, die nur mit dem überlebenden Ehegatten verwandt sind.