Rz. 23
In der Praxis geht es bei Erbenfeststellungsprozessen am häufigsten um die Problembereiche:
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Testierfreiheit |
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Formgültigkeit eines privatschriftlichen Testaments |
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Formgültigkeit einer notariellen Verfügung von Todes wegen |
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Testierunfähigkeit wegen Krankheit |
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Verlust eines privatschriftlichen Testaments |
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Widerruf einer Verfügung von Todes wegen |
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Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen |
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Sittenwidrigkeit einer Verfügung von Todes wegen |
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Anfechtung der Erbschaftsannahme |
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Auslegung einer Verfügung von Todes wegen |
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Zuwendungsverbote nach § 14 HeimG des Bundes bzw. nach den nunmehr geltenden Landes-Heimgesetzen |
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Rechtswirkungen einer Pflichtteils(straf)klausel. |
Rz. 24
Im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen, wird, weil das deutsche gesetzliche Ehegattenerbrecht güterstandsabhängig ist, auch im Erbenfeststellungsprozess die Frage der Wirksamkeit einer Güterstandsvereinbarung als Vorfrage zu klären sein.
Rz. 25
Die Wirksamkeit eines Ehevertrags kann unabhängig von Scheidung in einem Feststellungsprozess gem. § 256 Abs. 1 ZPO geklärt werden.
I. Ernsthaftigkeit des Testierwillens
Rz. 26
Ein Testament ist nur dann wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernstlichen Testierwillen hatte, d.h. ernstlich eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollte. Zweifel an einem endgültigen Testierwillen können sich u.a. aus ungewöhnlichen Schreibmaterialien, ungewöhnlichen Errichtungsformen, der inhaltlichen Gestaltung und einem ungewöhnlichen Aufbewahrungsort ergeben. Bei solchen Zweifeln ist stets zu prüfen, ob es sich nicht lediglich um einen Testamentsentwurf handelt.
II. Testierfreiheit
1. Allgemeines
Rz. 27
Von der Testierfähigkeit zu unterscheiden ist die Testierfreiheit des Erblassers. Diese kann z.B. dann eingeschränkt sein, wenn sich der Erblasser bereits in einem Erbvertrag oder in einem gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testament gebunden hat. Bei Vorliegen einer solchen bindenden Verfügung von Todes wegen sind alle späteren Verfügungen unwirksam, wenn sie der früheren widersprechen. Beim Erbvertrag regelt dies § 2289 Abs. 1 BGB, beim gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testament §§ 2270, 2271 Abs. 2 BGB i.V.m. einer analogen Anwendung von § 2289 BGB. Für die eingetragene Lebenspartnerschaft gilt das Recht des gemeinschaftlichen Testaments entsprechend, § 10 LPartG. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 zum 1.10.2017 sind gleichgeschlechtliche Partner Eheleuten gleichgestellt.
Hinweis
Bezüglich des Zeitpunkts des Eintritts der Bindung von Todes wegen besteht ein elementarer Unterschied zwischen einem wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testament einerseits und einem Erbvertrag andererseits: Solange beide Eheleute leben, kann ein wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament nicht bindend sein; dies ergibt sich aus dem einseitigen Widerrufsrecht des § 2271 Abs. 1 BGB; eine anderslautende Regelung wäre gem. § 2302 BGB nichtig. Anders beim Erbvertrag: Hier tritt mit Abschluss des Beurkundungsvorganges nach dem Grundsatz "pacta sunt servanda" sofort eine Bindung ein, und zwar beim zweiseitigen Erbvertrag für jeden Erblasser.
2. Testierfreiheit im Einzelnen
Rz. 28
Hat der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen hinterlassen, so ist zunächst zu klären, ob er insoweit noch frei war in seiner Testiermöglichkeit oder ob dem ein Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament, das er mit seinem vorverstorbenen Ehegatten/eingetragenem Lebenspartner errichtet hatte, entgegenstand. Leben noch bei...