Rz. 61
Der Widerruf korrespektiver Verfügungen ist erschwert oder ausgeschlossen (§ 2271 BGB). Sobald diese Verfügungen unwiderruflich geworden sind, finden die erbvertraglichen Vorschriften der §§ 2281, 2287, 2288 BGB analoge Anwendung (§ 2271 Abs. 2 BGB).
Rz. 62
Mit dem Tod des erststerbenden Ehegatten tritt für den Überlebenden eine Bindung an seine wechselbezüglichen Verfügungen, die auf seinen Tod gelten sollen, ein, § 2271 Abs. 2 BGB.
Rz. 63
Außer den durch die gesetzliche Vermutung erfassten Fällen können auch anders gelagerte Verfügungen, sofern es sich um Erbeinsetzung, Vermächtnis- oder Auflagenanordnung handelt, wechselbezüglich sein, wenn sich ein entsprechender Erblasserwille ermitteln lässt.
Ersatzerben nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB gehören nach der geänderten Rechtsprechung des BGH nicht dazu. Anderes kann gelten, wenn die Ersatzerbeinsetzung ausdrücklich verfügt wurde.
BGH in BGHZ 149, 363:
Rz. 64
Erfolgte die Ersatzerbeinsetzung aber willentlich durch die Erblasser und findet die Ersatzerbfolge nicht lediglich wegen der gesetzlichen Auslegungsregel statt, so kann die Ersatzerbeinsetzung trotzdem wechselbezüglich sein.
Ob bei einem Ehegattentestament der einer verstorbenen Erbin zugewandte Anteil den übrigen Testamentserben angewachsen ist oder deren Erben – etwa der Ehemann sowie die gemeinsamen Kinder – als Ersatzerben in die erbrechtliche Stellung der verstorbenen Erbin einrücken, beantwortet sich auf der Grundlage des durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Erblasserwillens in Ermangelung tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser die vorverstorbene Erbin bei Testamentserrichtung weniger als Person, also wegen des guten Verhältnisses zu ihr, denn als Repräsentantin ihres "Stammes" bedachte, im Sinne der Anwachsung.
Zum Näheverhältnis vgl. OLG Koblenz:
Zitat
"Eine durch ein gemeinschaftliches Testament bedachte Person kann aufgrund der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nur dann als dem Erblasser nahe stehende Person angesehen werden, wenn ein solches "Näheverhältnis" besteht, dass dieses einem Verwandtschaftsverhältnis gleichzusetzen ist und mindestens dem üblichen Verhältnis zu Verwandten entspricht. Als nahe stehende Personen sind diejenigen zu verstehen, zu denen der betreffende Ehegatte enge persönliche Beziehungen und innere Bindungen gehabt hat. Als solche Personen können Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder, verschwägerte Personen, enge Freunde und langjährige Angestellte in Betracht kommen, wenn eine häusliche Gemeinschaft bestanden hat."
Rz. 65
Die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung lässt nicht von vornherein den Schluss auf die Wechselbezüglichkeit und damit die Bindung des längstlebenden Ehegatten an die Einsetzung auch eines Ersatzschlusserben zu, wenn beide nur mit diesem Längstlebenden verwandt sind. Aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments, seinem Wortlaut und seiner Systematik unter Einbezug von Feststellungen über gute Beziehungen des Ersatzerben zu dem erstverstorbenen Ehegatten – auch wenn diese noch nicht ein hinreichendes Näheverhältnis i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB ergeben – kann sich jedoch im Wege der individuellen Auslegung des Testaments als tatsächlicher Erblasserwille die Wechselbezüglichkeit der Ersatzschlusserbeneinsetzung entnehmen lassen.
Nahe stehend i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB kann auch eine juristische Person sein.
Rz. 66
Wechselbezüglichkeit mit eintretender Bindung für den Überlebenden ist die Ausnahme vom Verbot der Bindung von Todes wegen nach § 2302 BGB:
Hinweis
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Wechselbezüglich-testamentarische Bindung = Ausnahme vom Bindungsverbot des § 2302 BGB |
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Unterausnahme: Wechselbezüglichkeit ist nur bei vier Anordnungen möglich (§ 2270 Abs. 3 BGB):
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Erbeinsetzung |
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Vermächtnis |
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Auflage |
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erbrechtliche Rechtswahl |
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