Rz. 485
Die Auslegungsregel des § 2087 BGB: Wird einer Person ein bestimmter Anteil des Nachlasses zugewendet (als Bruchteil oder als Prozentsatz des Vermögens), so ist mit der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB – sofern kein anderer Erblasserwille vorrangig festzustellen ist –, also bei verbleibenden Zweifeln, davon auszugehen, dass der Zuwendungsempfänger als Erbe eingesetzt ist. Jedoch steht es dem Erblasser offen, dem Zuwendungsempfänger einen bestimmten Bruchteil des Nachlasswertes nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten als sog. Quotenvermächtnis zuzuwenden.
Auslegungsregel: Bestimmte Worte sind nicht erforderlich. Die Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes ist i.d.R. Vermächtnisanordnung. (§ 2087 Abs. 2 BGB)
Rz. 486
Allerdings ist die Höhe des Vermächtnisses nicht beschränkt. Es kann auch den gesamten Nachlass aufzehren, so dass dem Erben nichts mehr verbleibt, sog. Universalvermächtnis. D.h.: Die Auslegung eines Testaments im Sinne einer Erbeinsetzung setzt nicht notwendig voraus, dass dem Erben dem Wert nach der größte Teil des Nachlasses verbleibt.
Ergibt die Auslegung, dass der Erblasser praktisch die Verteilung seines gesamten zur Zeit der Testamentserrichtung vorhandenen Vermögens unter den bedachten Personen verfügt hat, so liegt – entgegen der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB – eine Erbeinsetzung vor. Die Zuwendung eines einzelnen Vermögensgegenstandes ist als Erbeinsetzung (zum Alleinerben) anzusehen, wenn dieser nach den Vorstellungen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die anderen Vermögensgegenstände an Wert so sehr übersteigt, dass anzunehmen ist, der Erblasser habe darin im Wesentlichen seinen Nachlass gesehen (naheliegend insbesondere dann, wenn ein Grundstück seinem Wert nach den wesentlichen Teil des Vermögens bildet).
Das BayObLG zur Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis, wenn 38 Personen mit den Nachlass erschöpfenden Geldbeträgen bedacht werden:
Nach der Auslegungsregel des § 2087 BGB
Zitat
"ist eine Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, wenn der Erblasser dem Bedachten sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens zuwendet, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist. Andererseits ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Bedachte Erbe sein soll, wenn ihm nur einzelne Gegenstände zugewendet werden, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist. Der Vorschrift kann entnommen werden, dass es auf die (fehlende) Bezeichnung als Erbe nicht entscheidend ankommt, vielmehr auf den Inhalt der Verfügung. Schon daraus ergibt sich, dass die Bezeichnung aller Bedachten als "Miterben" an einer Stelle des Testaments nicht ausschlaggebend sein kann. (...) Aus der Verteilung des gesamten Nachlasses auf insgesamt 38 Bedachte folgt jedoch noch nicht, dass alle bedachten Personen zu Erben eingesetzt sind, während den anderen lediglich Vermächtnisse zugewendet sind. Es liegt insbesondere nahe, eine Person, der der Hauptnachlassgegenstand zugewiesen ist, als Alleinerben anzusehen, und andere, die nur Gegenstände von geringem Wert erhalten sollen, als Vermächtnisnehmer."
Rz. 487
Es liegt nahe, eine Person, der der Hauptnachlassgegenstand, insbesondere bei Zuwendung von Immobilien wie dem Hausgrundstück oder der Eigentumswohnung des Erblassers, zugewiesen ist, als Alleinerben anzusehen. Denn die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstandes kann als Erbeinsetzung angesehen werden, wenn der Nachlass dadurch im Wesentlichen erschöpft wird oder wenn der objektive Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat. In einem solchen Fall ist in der Regel anzunehmen, dass der Testierende eine Erbeinsetzung bezweckt hat, denn es kann nicht unterstellt werden, dass er überhaupt keinen Erben berufen wollte.
U.a. kommt es darauf an, wer für die Abwicklung des Nachlasses verantwortlich sein und für die Nachlassverbindlichkeiten haften soll. Dies ist der Erbe und nicht der Vermächtnisnehmer.
Rz. 488
Erklärt der Erblasser ausdrücklich, dass dem testamentarischen Erben ein bestimmter Erbschaftsgegenstand nicht zufallen soll, gilt er gem. § 2149 BGB im Zweifel als dem gesetzlichen Erben vermacht. Den testamentarischen Erben trifft die Beweislast für einen davon abweichenden Erblasserwillen, insbesondere auch für einen Vorbehalt i.S.v. § 2086 BGB, der Erblasser habe das Testament später ergänzen wollen.
Zur Auslegungsregel des § 2087 BGB das AG Warstein:
Zitat
1. Auch wenn der Erblasser durch Zuwendung von einzelnen Gegenständen oder Vermögensgruppen praktisch sein gesamtes Vermögen aufgeteilt hat, ist nur ausnahmsweise anzunehmen, dass er damit eine Erbeinsetzung bezweckt hat (im Anschluss an BGH NJW-RR 1990, 391 und NJW 1997, 392, entgegen OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2010, I-10 U 137/09; OLG München FamRZ 2010, 758; OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 14; BayObLG NJW-RR 1995, 1096).
2. Ein solcher Ausnahmefall liegt allerdings nahe, w...