Rz. 111
Um eine Popularbeschwerde zu verhindern, ist die Beschwerdeberechtigung eine weitere Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde, § 59 FamFG. Dabei ist zunächst zwischen der materiellen Beschwer nach § 59 Abs. 1 FamFG und der formellen Beschwer nach § 59 Abs. 2 FamFG zu unterscheiden.
Die materielle Beschwer, d.h. die Beeinträchtigung in einem eigenen Recht, muss immer sowohl in Amts- als auch in Antragsverfahren vorliegen.
Hingegen ist eine formelle Beschwer nur bei Antragsverfahren notwendig. In diesem Fall müssen kumulativ die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 des § 59 FamG gegeben sein.
a) Materielle Beschwer, § 59 Abs. 1 FamFG
Rz. 112
Eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG liegt vor, wenn ein privatrechtliches oder öffentlich-rechtliches subjektives Recht des Beschwerdeführers durch die angefochtene Entscheidung berührt wird. Als verletzte Rechtsposition kommt dabei in Nachlasssachen vor allem das Erbrecht in Betracht. Dagegen führt die bloße Verletzung von Verfahrensrechten nach h.M. grundsätzlich nicht zur Beschwerdeberechtigung. Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung bejaht eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 59 FamFG bei Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften oder des "allgemeinen Rechts eines Beteiligten auf gesetz- und sachgemäße Behandlung seiner Angelegenheiten". Beeinträchtigt ist ein Recht, wenn die angefochtene Entscheidung unmittelbar nachteilig in ein Recht des Beschwerdeführers eingreift. Die Rechtsbeeinträchtigung muss zumindest möglich sein. Ob sie tatsächlich vorliegt, prüft das Gericht dann erst im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde. Dies spielt vor allem bei den sog. doppelrelevanten Tatsachen eine Rolle. Die Behauptung, Erbe zu sein, ist sowohl für die Frage der Beschwerdeberechtigung als auch für die Begründetheit der Beschwerde von Bedeutung. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist es erforderlich, dass die Rechtsbeeinträchtigung schlüssig behauptet wird oder jedenfalls ernsthaft möglich ist.
b) Muster für eine behauptete Rechtsbeeinträchtigung
Rz. 113
Muster 8.37: Behauptete Rechtsbeeinträchtigung
Muster 8.37: Behauptete Rechtsbeeinträchtigung
Der Erbschein hätte _________________________ nicht erteilt werden dürfen, da mein Mandant aufgrund gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe des Erblassers geworden ist. Das Testament vom _________________________ ist unwirksam, weil _________________________.
Rz. 114
Wer geltend macht, Nacherbe zu sein, ist gegen die Ablehnung der Einziehung eines ohne Nacherbenvermerk erteilten Erbscheins ebenfalls beschwerdeberechtigt. Gegen die Anordnung der Einziehung eines solchen Erbscheins ist derjenige beschwerdeberechtigt, auf dessen Antrag der einzuziehende Erbschein erteilt worden war, nach seinem Tod sein Erbe. Dagegen sind Vermächtnisnehmer im Erbscheinsverfahren, von den Fällen der §§ 792, 896 ZPO abgesehen, auch dann nicht beschwerdeberechtigt, wenn sie zwar zu den gesetzlichen Erben gehören würden, aber nach ihrem eigenen Vorbringen durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen sind.
c) Formelle Beschwer, § 59 Abs. 2 FamFG
Rz. 115
In Antragsverfahren, z.B. bei der Erteilung eines Erbscheins, ist neben der materiellen Rechtsbeeinträchtigung auch noch eine formelle Beschwer gemäß § 59 Abs. 2 FamFG erforderlich. Beschwerdeberechtigt ist demnach nur derjenige, dessen Antrag zurückgewiesen worden ist. Diese Einschränkung des Beschwerderechts erfährt nach der herrschenden Rechtsprechung eine Ausnahme, wenn der Beschwerdeführer zwar keinen Antrag gestellt hatte, er aber die Möglichkeit gehabt hätte, einen gleich lautenden Antrag zu stellen, wie z.B. ein Miterbe oder der Erbe bei einem Antrag des Testamentsvollstreckers.
§ 59 Abs. 2 FamFG ist auch bei der weiteren Beschwerde zu beachten: Hebt z.B. das Landgericht einen Vorbescheid des Nachlassgerichts auf, kann gegen diese Entscheidung nur derjenige weitere Beschwerde mit dem Ziel der Wiederherstellung des Vorbescheids einlegen, der den im Vorbescheid angekündigten Erbschein beantragt hat oder hätte beantragen können.
d) Übersicht: Beschwerdeberechtigte in den einzelnen Nachlasssachen
aa) Erbscheinsverfahren; Formulierungsbeispiel
Rz. 116
▪ |
Der (wirkliche) Erbe kann sich sowohl gegen die Erteilungsanordnung bzgl. eines anderen Erben als auch gegen die Ablehnung seines eigenen Erbscheinsantrags beschweren; |
▪ |
auch der Vorerbe ist insoweit beschwerdeberechtigt. |
▪ |
Der Nacherbe kann sich gegen die Erteilungsanordnung insoweit beschweren, als sein Nacherbenrecht darin nicht enthalten ist. |
Rz. 117
Muster 8.38: Beschwerde eines Nacherben
Muster 8.38: Beschwerde eines Nacherben
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
In der Nachlasssache ___...