Norbert Schneider, Lotte Thiel
I. Überblick
Rz. 343
Soweit Beschwerden gegen den Rechtszug beendende Entscheidungen in Familienstreitsachen betreffend den Hauptgegenstand des Verfahrens erhoben werden, gelten gem. Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b) VV die Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 VV entsprechend. Anzuwenden sind also die Vorschriften, die für ein Berufungsverfahren gelten (Nrn. 3200 ff. VV).
Rz. 344
Zu den Beschwerden gegen den Rechtszug beendende Entscheidungen zählen auch Beschwerden gegen Teil-, Grund- oder Zwischenentscheidungen, soweit sie im Rahmen ihrer Entscheidung den Rechtszug beenden.
Rz. 345
Hauptanwendungsfall ist die Beschwerde gegen eine Teil-Entscheidung im Rahmen eines Stufenantrags über die Auskunftsstufe oder den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
Beispiel 191: Beschwerde gegen Abweisung des Auskunftsantrags
Die Ehefrau beantragt Zugewinn und geht im Wege des Stufenantrags vor. Das Gericht weist den Auskunftsantrag zurück, da die Auskunft bereits erteilt sei. Hiergegen legt die Ehefrau Beschwerde ein. Das OLG verhandelt und setzt den Wert des Beschwerdeverfahrens auf 10.000,00 EUR fest.
Da die Entscheidung des FamG das Verfahren hinsichtlich der Auskunftsstufe beendet, liegt insoweit eine Endentscheidung hinsichtlich der Hauptsache vor, so dass der Anwalt gem. Vorbem. 3.2.1 Nr. 2b) VV die Gebühren der Nrn. 3200 VV erhält.
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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892,80 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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669,60 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.582,40 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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300,66 EUR |
Gesamt |
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1.883,06 EUR |
II. Gegenstandswert
Rz. 346
Der Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 40 FamGKG. Danach gilt Folgendes.
Rz. 347
Wird ein Rechtsmittelantrag innerhalb der Begründungsfrist (§ 117 Abs. 1 S. 3 FamFG) gestellt, gilt § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Es kommt auf den gestellten Rechtsmittelantrag an.
Rz. 348
Wird das Rechtsmittel in vollem Umfang geführt, entsprechen sich Beschwer und Antrag.
Beispiel 192: Rechtzeitiger Antrag
Der Ehemann ist verpflichtet worden, 20.000,00 EUR Zugewinn zu zahlen. Sein Anwalt legt dagegen Beschwerde ein und beantragt innerhalb der Begründungsfrist, den Beschluss des FamG abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Es gilt nach § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG der Wert des Antrags, also 20.000,00 EUR, da eine vollständige Abänderung beantragt wird.
Rz. 349
Wird das Rechtsmittel nur beschränkt geführt, gilt der Wert des beschränkten Antrags. Wann der Antrag gestellt wird, ist unerheblich, solange die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Der Wert wird gem. § 34 FamGKG auf den Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung zurückbezogen.
Beispiel 193: Rechtzeitig beschränkter Antrag
Der Ehemann ist verpflichtet worden, 20.000,00 EUR Zugewinnausgleich zu zahlen. Sein Anwalt legt dagegen Beschwerde ein und beantragt innerhalb der Begründungsfrist eine Abänderung auf nicht mehr als 18.000,00 EUR.
Es gilt nach § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG der Wert des Antrags, also das Abänderungsinteresse (20.000,00 EUR – 18.000,00 EUR =) 2.000,00 EUR.
Rz. 350
Wird kein Antrag gestellt, gilt der Wert der Beschwer (§ 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG), der sich gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG nach den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO richtet.
Beispiel 194: Fehlender Antrag
Der Ehemann ist verpflichtet worden, 20.000,00 EUR Zugewinn zu zahlen. Sein Anwalt legt dagegen Beschwerde ein und nimmt diese später wieder zurück. Ein Antrag war zuvor nicht gestellt worden.
Mangels Antrags gilt jetzt gem. § 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG der volle Wert der Beschwer, also 20.000,00 EUR.
Rz. 351
Wird der Antrag erst nach Ablauf der Begründungsfrist gestellt, gilt ebenfalls der Wert der Beschwer (§ 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG).
Beispiel 195: Verspäteter Antrag
Der Ehemann ist verpflichtet worden, 20.000,00 EUR Zugewinnausgleich zu zahlen. Sein Anwalt legt dagegen Beschwerde ein und beantragt nach Ablauf der Begründungsfrist eine Abänderung auf nicht mehr als 18.000,00 EUR.
Unabhängig davon, ob die Beschwerde als unzulässig verworfen oder noch zurückgenommen wird, gilt hier der volle Wert der Beschwer, also 20.000,00 EUR.
Rz. 352
Gleiches gilt, wenn rechtsmissbräuchlich nur ein geringerer Antrag gestellt wird.
Beispiel 196: Rechtsmissbräuchlich reduzierter Antrag
Der Ehemann ist verpflichtet worden, 20.000,00 EUR Zugewinnausgleich zu zahlen. Sein Anwalt legt dagegen Beschwerde ein, begründet diese aus Kostengründen in Höhe von 500,00 EUR und nimmt sie anschließend wieder zurück.
Auch jetzt gilt der volle Wert der Beschwer. Der rechtsmissbräuchliche Antrag ist unbeachtlich.
Rz. 353
Soweit mehrere Verfahrensgegenstände betroffen sind, kann sich aus der rechtsmissbräuchlichen Reduzierung eines Antrags allerdings nicht ergeben, dass die Beschränkung für alle Anträge rechtsmissbräuchlich ist und der Wert der Gesamtbeschwer anzusetzen ist. Hier ist vielmehr zu differenzieren.
Beispiel 197: Teilweise rechtsmissbräuchlich reduzierter Antrag