Norbert Schneider, Lotte Thiel
Rz. 332
Wird der Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich gestellt, bevor der Scheidungsantrag rechtshängig war oder wird ein Scheidungsantrag gar nicht gestellt, so ist für die Berechnung des Endvermögens anstelle der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags jetzt der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Aufhebungsantrags maßgebend (§ 1387 BGB). Wird später noch der Scheidungsantrag eingereicht, ändert dies nichts daran, dass der frühere Zeitpunkt der Einreichung des Aufhebungsantrags für die Berechnung des Endvermögens maßgebend bleibt.
Rz. 333
Das Interesse des Antragstellers im Falle des vorzeitigen Zugewinnausgleichs besteht also in diesem Fall nicht nur darin, den Zugewinnausgleich früher als erst bei Rechtskraft der Scheidung verlangen zu können (siehe Rdn 330), sondern auch darin, dass sich der Zugewinnausgleich nunmehr zu einem früheren Zeitpunkt berechnet. Beide Aspekte sind bei der Wertfestsetzung jetzt zu berücksichtigen.
Rz. 334
Das Vorfälligkeitsinteresse ist wie Rdn 330 zu bewerten.
Rz. 335
Das Interesse an einem anderen Endvermögensstichtag ist zusätzlich zu bewerten. Es ist danach zu fragen, mit welchem Zugewinn nach dem früheren Stichtag des Aufhebungsverfahrens zu rechnen ist und mit welchem Zugewinnausgleich zum späteren Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags zu rechnen gewesen wäre. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten können sich erhebliche Unterschiede ergeben, nämlich dann, wenn der Ausgleichsverpflichtete zwischenzeitlich Vermögen verliert. Das können zum einen zu berücksichtigende Vermögensverluste sein, aber auch illoyale Vermögensverschiebungen. Zwar sind diese für den Zugewinnausgleich u.U. irrelevant, allerdings nur, wenn der Ausgleichsberechtigte die Benachteiligungsabsicht beweisen kann. Veränderungen können sich auch daraus ergeben, dass der Ausgleichsberechtigte Vermögen hinzuerwirbt (z.B. einen Lottogewinn) und sich damit der Ausgleichsanspruch reduziert oder – schlimmstenfalls – in eine Ausgleichspflicht wandelt.
Rz. 336
Das Problem in der Praxis dürfte allerdings darin liegen, dass sich in den meisten Fällen keine Anhaltspunkte für eine solche Differenzberechnung ergeben. Der sich aufgrund der vorzeitigen Beendigung der Zugewinngemeinschaft ergebende Ausgleichsanspruch wird sich in der Regel noch überschlägig ermitteln lassen. Es wird aber kaum feststellbar sein, mit welchem geringeren eigenen Anspruch oder mit welcher höheren Zahlungspflicht der antragstellende Ehegatte zu rechnen hat, wenn der Zugewinn erst auf den späteren Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags berechnet wird. Zum einen steht nämlich noch gar nicht fest, ob und wann der Scheidungsantrag eingereicht werden wird. Darüber hinaus steht ebenso wenig fest, wie hoch der Zugewinnausgleichsanspruch in diesem Falle ausfallen wird. Daher dürfte hier – wie von der überwiegenden Rechtsprechung angenommen – mangels greifbarer Anhaltspunkte grundsätzlich vom Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG in Höhe von 5.000,00 EUR auszugehen sein.
Rz. 337
Die Rechtsprechung des BGH, grundsätzlich ein Viertel des zu erwartenden Zugewinnausgleichsanspruchs anzunehmen, erscheint dagegen willkürlich. Es gibt keinen Erfahrungsgrundsatz, dass der vorzeitige Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber einem späteren Zugewinnausgleichsanspruch anlässlich der Ehescheidung um 25 % höher ausfällt.