Prof. Dr. Thomas Reich, Prof. Dr. Ulrich Voß
Rz. 117
Es wurde bereits auf die Problematik eingegangen, inwieweit eine Befreiung aufgrund eines möglicherweise bestehenden Zugewinnausgleichsanspruchs in Betracht kommt (siehe oben Rdn 101 ff.). Während die Gewährung eines Zugewinn-Freibetrags bei vergleichbaren ausländischen Güterständen dem Grunde nach möglich ist, können nach §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 3 ErbStG nur beschränkt erbschaftsteuerpflichtige Ehegatten/Lebenspartner den allgemeinen Freibetrag von 500.000 EUR regelmäßig lediglich gemindert und den Versorgungsfreibetrag von 256.000 EUR nur unter weiteren Voraussetzungen in Anspruch nehmen. Im Einzelfall sollte daher (immer noch) geprüft werden, ob wegen einer unterschiedlichen steuerlichen (Gesamt-)Belastung nicht eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht begründet werden sollte, etwa durch einen (Neben-)Wohnsitz im Inland.
Rz. 118
Der früher für beschränkt Steuerpflichtige zur Verfügung stehende geringe allgemeine Freibetrag in Höhe von lediglich 2.000 EUR war nach Ansicht des EuGH europarechtswidrig. Als Ergebnis dieser Entscheidung wurde in § 2 Abs. 3 ErbStG die Möglichkeit der Option zur unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland geschaffen. Anschließend wurde aber vom EuGH die Differenzierung des Freibetrags auch im Verhältnis zu Drittstaaten als EU-rechtswidrig eingestuft. Auch die zwischenzeitliche Optionsmöglichkeit des § 2 Abs. 3 ErbStG wurde entsprechend den bereits in der Vorauflage geäußerten Bedenken vom EuGH beanstandet. Mit seinem Urt. v. 8.6.2016 entschied der EuGH in der Rechtssache "Sabine Hünnebeck", dass die Optionsmöglichkeit die Unionsrechtswidrigkeit der unterschiedlichen Freibeträge nicht beseitigt. Für den Fall des Erwerbs eines in Deutschland belegenen Grundstücks durch einen in der Schweiz ansässigen Erben hatte das FG Düsseldorf in "gemeinschaftsrechtskonformer" Auslegung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zwischenzeitlich den Freibetrag für unbeschränkt Steuerpflichtige entgegen dem Gesetzeswortlaut angewandt. Nach der Neufassung des § 16 Abs. 2 ErbStG durch das sog. Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz gelten nunmehr für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 24.6.2017 entsteht, die Freibeträge der unbeschränkten Steuerpflicht entsprechend, gemindert allerdings um einen Teilbetrag, der das Vermögen berücksichtigt, das nicht der (deutschen) beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Der EuGH hat im Dezember 2021 die Vereinbarkeit von § 16 Abs. 2 ErbStG mit Unionsrecht angenommen. Werden beispielsweise Vermögenswerte von 400.000 EUR zugewandt, wobei Vermögenswerte von 300.000 EUR nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, ist der persönliche Freibetrag gem. § 16 Abs. 2 S. 2 ErbStG um 75 % zu kürzen. Dem überlebenden Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner stünden daher bei beschränkter Steuerpflicht nur 125.000 EUR als Freibetrag nach § 16 ErbStG zu, einem unbeschränkt Steuerpflichtigen hingegen 500.000 EUR.
Rz. 119
Bei unbeschränkter Steuerpflicht erhält der überlebende Ehegatte/eingetragene Lebenspartner nach § 17 Abs. 1 S. 1 ErbStG im Erbfall einen besonderen Versorgungsfreibetrag von 256.000 EUR und Kinder erhalten einen Versorgungsfreibetrag – gestaffelt nach Alter – zwischen 52.000 EUR und 10.300 EUR (§ 17 Abs. 2 S. 1 ErbStG). Für Erwerbe bei lediglich beschränkter Steuerpflicht gelten diese besonderen Versorgungsfreibeträge nach § 17 Abs. 3 ErbStG nunmehr auch, allerdings aber nur, wenn durch die Staaten, in denen der Erblasser ansässig war oder der Erwerber ansässig ist, Amtshilfe geleistet wird. Diese Neuregelung des § 17 Abs. 3 ErbStG in der am 25.6.2017 geltenden Fassung gilt auch für Altfälle, soweit die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind (§ 37 Abs. 13 ErbStG). Nach dieser Neuregelung stehen beschränkt Steuerpflichtige wesentlich besser als nach der Vorgängerregelung, nach der nur unbeschränkt Steuerpflichtige einen zusätzlichen Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG erhalten haben. Wir halten es gleichwohl für nicht unbedenklich, die Gewährung von teils recht beachtlichen Versorgungsfreibeträgen von einer Voraussetzung abhängig zu machen, die selbst keinen sachlichen Bezug zur Versorgung der Beteiligten hat. Das dem Grunde nach berechtigte Informationsinteresse der Finanzverwaltung könnte auch auf anderem Wege, etwa durch erhöhte Nachweispflichten der Beteiligten, befriedigt werden, wie dies nunmehr beispielsweise in § 13a Abs. 8 ErbStG bei der Begünstigung von nicht inländischem Vermögen geregelt ist. Unter Zugrundelegung der derzeitigen Regelung wäre in Fällen, bei denen im Ausland substanzielles Vermögen vorhanden oder der Wohnsitzstaat ein Staat ist, der keine Amtshilfe i.S.d. § 17 Abs. 3 ErbStG leistet, zu überlegen, Vermögensübertragungen im Rahmen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht auszuführen, in dem zum beispielsweise ein (Neben-)Wohnsitz in Deutschland begründet wird, um die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht zu vermeiden. Die dadurch herbeigeführte unbeschränkte Steuerpflicht kann für die Beteiligten im Einzelfall in...