Prof. Dr. Thomas Reich, Prof. Dr. Ulrich Voß
Rz. 130
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wenn in mehreren Staaten Anknüpfungspunkte für die Besteuerung verwirklicht werden, gibt es im Wesentlichen zwei Methoden; zum einen die Freistellungsmethode, zum anderen die Anrechnungsmethode.
Rz. 131
Zu der umstrittenen Frage, ob ein beschränkt Steuerpflichtiger eine Optionsmöglichkeit hat, die ausländische Steuer wie eine Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, siehe Rdn 157.
a) Freistellungsmethode (unter Progressionsvorbehalt)
Rz. 132
Sieht ein Doppelbesteuerungsabkommen die Freistellungsmethode vor, verzichtet ein beteiligter Staat auf die Besteuerung bestimmter Vermögensgegenstände, obwohl nach nationalem Recht ein Besteuerungsrecht besteht. Die Besteuerung erfolgt dann allerdings regelmäßig unter Progressionsvorbehalt (§ 19 Abs. 2 ErbStG). Die Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt war im (gekündigten) Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich (Art. 7 DBA) und ist im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz (Art. 10 Abs. 1 DBA) vorgesehen. Soweit in einem Doppelbesteuerungsabkommen nur das Anrechnungsverfahren vorgesehen ist, ist der Progressionsvorbehalt ohne Bedeutung. Mit der Regelung des § 19 Abs. 2 ErbStG soll erreicht werden, dass es durch die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu keinem zusätzlichen Progressionsvorteil des Erwerbers kommt. Die Vorschrift ist vergleichbar dem einkommensteuerlichen Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG). Voraussetzung ist allerdings, dass ein Fall der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht vorliegt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
Rz. 133
Für die Berechnung des Steuersatzes nach § 19 Abs. 2 ErbStG gilt: Die Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer ist nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb, d.h. einschließlich des freigestellten (ausländischen) Vermögens, gelten würde.
Beispiel:
Erblasser E mit Wohnsitz in Deutschland hat seine Nichte N, die ebenfalls in Deutschland lebt, zur Alleinerbin eingesetzt. E verstirbt. Der Nachlass von Erblasser E besteht zum einen aus deutschem Vermögen (220.000 EUR) sowie aufgrund eines durch DBA-freigestellten Vermögens in Höhe von 150.000 EUR.
Nichte N ist in Deutschland unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG); nach deutschen Vorschriften ist daher das Weltvermögen steuerpflichtig. Das DBA entzieht aber einen Teil des Vermögens dem deutschen Besteuerungsrecht. Von dem in Deutschland steuerpflichtigen Vermögensanfall von 220.000 EUR bleibt nach Abzug des persönlichen Freibetrags von 20.000 EUR (ohne Berücksichtigung sonstiger Pauschalen) ein steuerpflichtiger Erwerb von 200.000 EUR (§ 10 Abs. 1 ErbStG).
Bei einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 200.000 EUR käme nach § 19 Abs. 1 ErbStG ein Steuersatz von 20 % zur Anwendung, also 40.000 EUR. Aufgrund des Progressionsvorbehalts des § 19 Abs. 2 ErbStG ist aber der Steuersatz anzuwenden, der sich bei einem Erwerb einschließlich des ausländischen Vermögens ergeben würde, vorliegend also 350.000 EUR (200.000 EUR zuzüglich des durch DBA steuerfrei gestellten Vermögens in Höhe von 150.000 EUR).
Bei einem Gesamterwerb in Höhe von 350.000 EUR beträgt der Steuersatz 25 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG). Dieser Steuersatz ist nun zur Berechnung der Erbschaftsteuer auf den steuerpflichtigen Erwerb von 200.000 EUR heranzuziehen. Die Erbschaftsteuer beträgt daher 50.000 EUR.
b) Anrechnungsmethode, § 21 ErbStG
aa) Allgemeines
Rz. 134
Ist ein Fall der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht im Inland gegeben, kommt es bei Sachverhalten mit Auslandsbezug oftmals auch im Ausland zu einer Erbschaftsteuerbelastung, so dass es – soweit kein DBA mit einer Freistellung gegeben ist – zu einer Doppelbesteuerung käme. Mit der Anrechnungsvorschrift des § 21 ErbStG soll die doppelte Belastung vermieden bzw. gemildert werden. Dies geschieht dann in der Weise, dass der Erbe die gezahlte ausländische Steuer bei der deutschen Erbschaftsteuer in Anrechnung bringen kann. Für die Anrechnung der ausländischen Steuer müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
bb) Antragstellung
Rz. 135
Die Anrechnung erfolgt nur auf Antrag, der noch bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung gestellt werden kann, bzw. innerhalb der Festsetzungsfrist, falls es sich um nachträglich bekanntgewordene Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) handelt. Die Anrechnung der ausländischen Steuer ist somit nicht Teil des Erhebungsverfahrens, sondern Teil des Steuerfestsetzungsverfahrens. Den Antrag kann jeder Steuerschuldner, aber auch der Testamentsvollstrecker, der Nachlassverwalter oder der Nachlasspfleger stellen. Einer bestimmten Form bedarf der Antrag nicht.
cc) Unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht
Rz. 136
Eine Anrechnung nach § 21 ErbStG kommt nur bei unbeschränkter Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. a) ErbStG) oder erweiterter unbeschränkter Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b oder c) ErbStG) im Inland in Betracht.
Rz. 137
Die Anrechnungsmethode gilt nicht bei beschränkter (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) oder erweitert beschränkter Erbschaftsteuerpflicht (§...