Rz. 16

In Deutschland, wie in den meisten anderen kontinental-europäischen Ländern, ist die Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer ausgestaltet. Jeder Erbe, Vermächtnisnehmer oder in anderer Weise von Todes wegen Begünstigte soll den ihm nach zivilrechtlichen Vorschriften im Todeszeitpunkt zufließenden Erwerb versteuern. Bei der Höhe der Besteuerung wird an die Person des einzelnen Erwerbers angeknüpft, so dass es bei unterschiedlichen Verwandtschaftsverhältnissen trotz gleicher Erwerbswerte allein schon wegen unterschiedlicher Freibeträge zu einer unterschiedlichen Steuerbelastung kommen kann.

 

Rz. 17

In anderen Ländern, z.B. den USA und Großbritannien, wird demgegenüber eine Nachlasssteuer erhoben, bei der der gesamte Nachlass selbst als Vermögensmasse besteuert wird. Während bei der Festsetzung der Erbanfallsteuer für den einzelnen Begünstigten auf den Wert des zugewandten Vermögens und den Verwandtschaftsgrad Rücksicht genommen werden kann, wird eine Nachlasssteuer häufig unabhängig von der Anzahl der Begünstigten und dem Verwandtschaftsverhältnis erhoben. Beträgt der Nachlasswert beispielsweise 800.000 EUR und wird dieser von einem Kind des Erblassers und dessen Lebensgefährtin zu gleichen Teilen geerbt, wird in Deutschland nach gegenwärtiger Rechtslage vom Kind keine Erbschaftsteuer erhoben, wenn der allgemeine Freibetrag von 400.000 EUR noch nicht durch andere Zuwendungen verbraucht ist (§§ 14, 16 ErbStG). Die Lebensgefährtin hat demgegenüber allenfalls einen Freibetrag von 20.000 EUR und müsste auf die verbleibenden 380.000 EUR eine Erbschaftsteuer von 30 %, also 114.000 EUR, bezahlen. Würde eine Nachlasssteuer erhoben, würde der Nachlass von 800.000 EUR selbst besteuert und somit der Wert des Nachlasses insgesamt gemindert – häufig ohne auf individuelle Verhältnisse (der Begünstigten) Rücksicht zu nehmen.

 

Rz. 18

Mit einer Nachlasssteuer ist in Deutschland am ehesten die als "Ersatzerbschaftsteuer"[17] oder als "Erbersatzsteuer"[18] bezeichnete, alle 30 Jahre eintretende Belastung von Familienstiftungen vergleichbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Hier trifft die Steuer allerdings den Vermögensträger (die Stiftung) selbst,[19] während bei einer echten Nachlasssteuer ein Vermögensträger fehlt. Während die Erbersatzsteuer eine periodische Steuer ist, die keinen Vermögensübergang verlangt, wird eine Nachlasssteuer nur bei Wegfall des bisherigen Vermögensträgers (durch Tod) erhoben.

[17] Zeitel, BT-Prot. 7/4117.
[19] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, § 1 Rn 17 bezeichnet die Steuer auf die Innehabung von Vermögen daher auch als Systembruch innerhalb des geltenden Rechts.

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