Prof. Dr. Thomas Reich, Prof. Dr. Ulrich Voß
1. Anknüpfungsmerkmale
Rz. 45
Die einzelnen Staaten bestimmen die Anknüpfungsmerkmale für die Besteuerung von Erbfällen oftmals unterschiedlich. Zu differenzieren ist dabei zwischen
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persönlichen (subjektiven) Anknüpfungsmerkmalen, die in der Person der Beteiligten liegen, wie z.B. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit, und |
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sachlichen (objektiven) Anknüpfungsmerkmalen, die etwa an den Belegenheitsort des Vermögens anknüpfen. |
Rz. 46
Besteht ein persönliches Anknüpfungsmerkmal in der Person des Erblassers ("Inländer"), wird regelmäßig das gesamte Nachlassvermögen, unabhängig vom Belegenheitsort oder dem Wohnsitz des Begünstigten (z.B. Erben), besteuert. Begründen die persönlichen Verhältnisse des Erblassers keine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht, ist zumindest der Nachlassteil unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig, der auf Erwerber entfällt, die aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig sind. Muss zur Begründung der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht an die Person des Begünstigten (z.B. den Erben) angeknüpft werden und ist dieser Inländer, wird nur der Nachlassteil, den diese Person durch den Erbfall aufgrund der Zivilrechtslage erlangt, der Besteuerung unterworfen, allerdings unabhängig vom Belegenheitsort der Nachlassgegenstände. Diese auf persönliche Anknüpfungsmerkmale der Beteiligten gestützte Besteuerung wird häufig analog dem Ertragsteuerrecht als unbeschränkte Steuerpflicht bezeichnet. Steuerpflichtig ist dann das Weltvermögen bzw. der Weltvermögensteil.
Rz. 47
Können mangels der Erfüllung von Anknüpfungsmerkmalen in der Person des Erben oder Erblassers nur bestimmte Vermögenswerte aufgrund ihres Inlandsbezuges, wie insbesondere des Belegenheitsorts bei Grundvermögen, besteuert werden, spricht man demgegenüber von einer beschränkten Steuerpflicht. In Deutschland wird dann nur das sog. Inlandsvermögen i.S.d § 121 BewG besteuert.
2. Persönliche Anknüpfungsmerkmale (unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht)
a) Allgemeines
Rz. 48
Persönliche Anknüpfungsmerkmale stellen also auf Merkmale der am Erbfall Beteiligten ab. Persönliche Anknüpfungsmerkmale sind beispielsweise der Wohnsitz, der gewöhnliche Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit. Ist die persönliche Steuerpflicht in Deutschland gegeben, ist das Weltvermögen (unabhängig davon, wo dies räumlich belegen ist, also das Inlands- und Auslandsvermögen) in Deutschland (unbeschränkt) erbschaftsteuerpflichtig. Die unbeschränkte deutsche Erbschaftsteuerpflicht schließt aber eine zusätzliche Besteuerung in anderen Staaten nicht aus; so kann eine Person in dem einen Staat unbeschränkt, in dem anderen beschränkt oder aber auch in mehreren Staaten unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig sein. Bei der Frage nach dem Umfang der Erbschaftsteuerpflicht in den einzelnen beteiligten Ländern ist zu untersuchen, welche Anknüpfungsmerkmale von den betroffenen nationalen Gesetzgebern dort gewählt wurden und auf welche Beteiligte diese abstellen.
Rz. 49
Einige Staaten, wie etwa Griechenland, machen die Besteuerung nur von den persönlichen Verhältnissen des Erblassers abhängig. Es kommt für die Besteuerung dann häufig nur darauf an, wo der Erblasser seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte; die Verhältnisse des Begünstigten (z.B. Erben oder Vermächtnisnehmer) sind demgegenüber irrelevant. In anderen Staaten, wie z.B. Spanien, wird hingegen nur bzw. in erster Linie an die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers angeknüpft, ohne dass es auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers ankommt.
Rz. 50
In Deutschland ist eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht bereits gegeben, wenn der Erblasser (oder Schenker) am Stichtag Inländer ist. Steuerpflichtig ist dann das gesamte in- und ausländische Vermögen des Erblassers (Weltvermögen) unabhängig davon, wo die Vermögensteile belegen sind und ob diese von Inländern oder Nichtinländern ("Steuerausländern") i.S.d. Steuerrechts erworben werden.
Beispiel:
Erblasser E hat seinen Alterswohnsitz in Deutschland genommen. Seine Kinder und Erben wohnen im Ausland, wo sich auch der Großteil des Vermögens von E befindet. Der gesamte Nachlass unterliegt in Deutschland der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht, da der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes Inländer war.
Rz. 51
Ist der Erblasser nicht Inländer, besteht in Deutschland insoweit eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht, als der Erwerber Inländer ist. Unbeschränkt steuerpflichtig ist dann allerdings nur der Anteil des Weltvermögens, der aufgrund der maßgeblichen zivilrechtlichen Vorschriften auf den inländischen Erwerber übergeht. Das Vermögen, das von Nichtinländern auf Nichtinländer übergeht, kann nur im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert werden.
b) Begriff des Wohnsitzes in Deutschland
Rz. 52
Jedes Land definiert seine Anknüpfungsmerkmale selbst. Deutschland nutzt alle denkbaren Anknüpfungsmerkmale und knüpft an die persönlichen Verhältnisse sowohl des Erblassers als des Erwerbers an. Deutschland knüpft die Besteuerung aber in erster Linie...