Prof. Dr. Thomas Reich, Prof. Dr. Ulrich Voß
Rz. 85
Soweit nicht der Nachlass selbst besteuert wird und die Steuer den Wert des Nachlasses selbst mindert, sondern – wie in Deutschland – jeder Erwerber die auf seinen Erwerb entfallende Steuer selbst schuldet (Erbanfallsteuer), stellt sich die Frage, wie der Erwerb des einzelnen Beteiligten zu bestimmen und zu bewerten ist.
1. Erbeinsetzung
Rz. 86
Werden eine oder mehrere Personen Erben, ohne dass weitere Regelungen getroffen sind, muss jeder Erwerber den Nachlass entsprechend seiner Erbquote versteuern. Hierbei ist es irrelevant, ob sich die Rechtsnachfolge im Nachlass nach einer letztwilligen Verfügung oder nach der gesetzlichen Erbfolge richtet.
Rz. 87
Weiterhin hat es dem Grunde nach keinen Einfluss auf die Erbschaftsbesteuerung, ob sich die Rechtsnachfolge, also insbesondere die Erbenstellung, aus dem deutschem oder einem ausländischen Erbstatut ergibt. Es ist bereits dargelegt (Rdn 11), dass es einer inländischen (unbeschränkten) Steuerpflicht nicht entgegensteht, wenn nach dem (deutschen) IPR ein ausländisches Erbrecht als Erbstatut anwendbar ist, sich die materiellen erbrechtlichen Fragen also nach einem ausländischen Recht richten. Die Erbschaftsteuerflicht hängt demgegenüber allein von der Verwirklichung ihrer eigenen Anknüpfungsmerkmale ab. Das IPR regelt aber u.a. die (Vor-)Fragen, wer (zu welchem Anteil und wie) Erbe, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigter (oder nach einer ausländischen Rechtsordnung Noterbberechtigter) ist. Das internationale Erbschaftsteuerrecht zieht hieraus die Konsequenzen, ob der Erwerb durch diese – unter Zugrundelegung des deutschen IPR ermittelten – Bedachten steuerpflichtig ist.
2. Teilungsanordnungen
Rz. 88
Häufig finden sich in letztwilligen Verfügungen Regelungen, wie der Nachlass zwischen mehreren Miterben aufzuteilen ist. Für die Erbschaftsteuer in Deutschland sind solche Teilungsanordnungen des Erblassers bei Geltung des inländischen Erbstatuts irrelevant. Es kommt nur darauf an, was der Erbe von Todes wegen unmittelbar durch den Erbfall erlangt hat, § 11 ErbStG. Unmittelbar durch den Erbfall hat der Erbe aber nur einen seiner Erbquote entsprechenden Anteil am Weltvermögen des Erblassers erlangt. Da es für die Besteuerung in Deutschland auf diese, bereits durch den Todesfall eintretende Vermögenszuordnung ankommt, ist die nachfolgende Erbauseinandersetzung – unabhängig davon, ob die Vermögensverteilung unter Beachtung der Teilungsanordnungen oder durch freiwillige Einigung erfolgt – jedenfalls erbschaftsteuerlich irrelevant. Dies kann im Bereich des internationalen Steuerrechts gerade dann sehr nachteilig sein, wenn eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland nur wegen der persönlichen Verhältnisse einzelner Miterben, nicht aber wegen der Person des Erblassers, besteht und auch im Ausland belegenes Vermögen vorhanden ist, das Erben erhalten sollen, die im Inland nur beschränkt steuerpflichtig sind.
Beispiel:
Erblasser E ist verstorben und hat seinen Sohn S und seine Tochter T zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland liegen nur für S vor, nicht aber für E und T. Das Vermögen von E, das ausschließlich aus Grundbesitz besteht, befindet sich jeweils zur Hälfte in Deutschland, zur Hälfte im Ausland. E verfügt durch Teilungsanordnung, dass sein in Deutschland belegenes Vermögen Sohn S und die Auslandsgrundstücke Tochter T bekommen soll.
Wenn für die Besteuerung ausschließlich die Erbquote am Gesamtnachlass maßgeblich ist, ist es irrelevant, wer aufgrund einer Teilungsanordnung oder einer freiwilligen Erbauseinandersetzung welches Vermögen bekommt. Sohn S muss im Rahmen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht entsprechend seiner Erbquote die Hälfte des in Deutschland und die Hälfte des im Ausland belegenen Vermögens versteuern. Tochter T versteuert im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht entsprechend ihrer Erbquote das deutsche "Inlandsvermögen" i.S.d. § 121 BewG, also "ihre Hälfte" des in Deutschland belegenen Vermögens. Im Ergebnis sind somit 3/4 des Nachlasses in Deutschland steuerpflichtig.
Rz. 89
Für die Erbschaftsbesteuerung in Deutschland soll die durch den Erbfall eintretende Vermögenszuordnung maßgeblich sein. Angenommen, es käme in einem Sachverhalt ein ausländisches Erbstatut zur Anwendung, in dem eine Teilungsanordnung eine unmittelbare rechtliche Zuordnung zur Folge hat (dingliche Wirkung), stellt sich aber die Frage, ob dies Auswirkungen auf die Besteuerung in Deutschland hätte. Möglicherweise könnte dann argumentiert werden, dass durch die dinglich wirkende Teilungsanordnung das Vermögen bereits im Erbfall anderweitig zugeordnet gewesen sei, so dass nicht mehr der Weltnachlass quotal besteuert werden dürfe, sondern die mit dinglicher Wirkung eingetretene Vermögensverteilung beachtet werden müsse und es für die Besteuerung auf die Wertverhältnisse der einzelnen Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt des Todes ankommt.
Rz. 90
Die Frage, wie eine nach dem ausländischen Erbstatut angeordnete dinglich wirkende...