Rz. 23
Den maßgeblichen Bezugspunkt für die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts in internationaler Hinsicht bilden die Niederlassungen des Verkäufers bzw. des Käufers, wobei die Staatsangehörigkeit der Parteien für die internationale Qualifizierung ohne Bedeutung ist. Um einen Kaufvertrag als ein internationales Geschäft i.S.d. UN-Kaufrechts zu qualifizieren, kommt es vielmehr allein auf die räumliche Ansässigkeit des Verkäufers und des Käufers in unterschiedlichen Staaten an.
Rz. 24
In vielen Fällen sind die Parteien des internationalen Handels keine natürlichen Personen, sondern vielmehr Gesellschaften wie etwa Kommanditgesellschaften und GmbH bzw. vergleichbare Gesellschaftsformen ausländischer Rechtsordnungen. Unter einer Niederlassung i.S.d. UN-Kaufrechts ist dann nicht nur der Hauptverwaltungssitz dieser Gesellschaften zu verstehen. Auch unselbstständige Außenstellen, über die das Unternehmen tätig ist, kommen als Niederlassungen in Betracht, wenn die nachfolgenden Kriterien gegeben sind:
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Die Außenstelle muss über eine gewisse Selbstständigkeit und Kompetenz im Hinblick auf den Abschluss und die Durchführung von Kaufverträgen verfügen. Ein Büro, dessen Aufgabe lediglich darin besteht, neue Kontakte zu knüpfen bzw. Kundenbeziehungen zu erweitern, ohne jedoch konkrete Kaufverträge abzuschließen oder durchzuführen, erfüllt diese Funktion nicht. |
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Ferner ist eine tatsächliche Einrichtung von gewisser Beständigkeit Voraussetzung. Der kurzfristige Aufenthalt entscheidungsbefugter Mitarbeiter in Räumen eines Büroserviceunternehmens ist dafür ebenso wenig ausreichend wie die Anwesenheit der Geschäftsführung auf einer Messe. |
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Kommen mehrere Niederlassungen in Betracht oder kann gar keine Niederlassung ausgemacht werden, ist eine Entscheidung nach Art. 10 CISG vorzunehmen. |
Rz. 25
Befinden sich die Niederlassungen von Käufer und Verkäufer in unterschiedlichen Staaten, so handelt es sich um ein internationales Geschäft. Allerdings schränkt Art. 1 Abs. 2 CISG den Anwendungsbereich ein. Demnach muss für beide Parteien auch erkennbar sein, dass sich die Niederlassung einer Partei im Ausland befindet, ansonsten findet der Auslandsbezug keine Berücksichtigung. Die Nichterkennbarkeit der Niederlassung ist anhand objektiver Kriterien zu ermitteln. Die individuelle Kenntnis oder Unkenntnis der Parteien ist dabei unerheblich. Ebenso wenig ist erforderlich, dass die erkennbaren Niederlassungsstaaten Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts sind und dass die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts den Parteien bewusst oder erkennbar war. Die Beweislast in dieser Frage ist nicht ausdrücklich im UN-Kaufrecht geregelt. In Deutschland gilt allerdings wie auch sonst das Regel-Ausnahmeverhältnis, weshalb derjenige, der sich auf die Nichterkennbarkeit beruft, diese beweisen muss.
Rz. 26
Art. 1 Abs. 2 CISG enthält eine Aufzählung von Umständen, aus denen die Internationalität des Kaufvertrages geschlossen werden kann. Insoweit ist abzustellen auf den Vertrag selbst, Verhandlungen der Parteien vor Vertragsschluss (etwa Mitteilung eines ausländischen Firmensitzes, Lieferung ins Ausland/aus dem Ausland, Verwendung einer Fremdsprache), sonstige Auskünfte einer Partei, die ausdrücklich oder auch konkludent auf die ausländische Niederlassung hinweisen können (wie z.B. Werbeanzeigen), sowie auch frühere Geschäftsbeziehungen. Diese Vorschrift dürfte v.a. bei Kommissionsgeschäften in einer common law-Rechtsordnung praktische Relevanz entfalten. Hier kann im Gegensatz zum deutschen Stellvertretungsrecht ein verdeckter Hintermann mit ausländischer Niederlassung Vertragspartner werden, was der Partei dann nicht unbedingt erkennbar ist.