Rz. 1
Durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11.4.1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf wurde ein neues nationales Einheitsrecht geschaffen. Dieses wird üblicherweise als UN-Kaufrecht, als CISG (entsprechend der Abkürzung: Convention on the International Sale of Goods) oder auch nach dem Ort des Vertragsschlusses als Wiener Kaufrecht bezeichnet. Zum 31.1.2017 haben 85 Vertragsstaaten das Übereinkommen in ihr geltendes Recht übernommen. Das Übereinkommen ist von Amts wegen als nationales Recht anzuwenden. In der Bundesrepublik Deutschland ist es seit dem 1.1.1991 aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 5.6.1989 mit einigen Modifikationen in Kraft getreten. In seinem Anwendungsbereich werden die Vorschriften des internationalen Privatrechts verdrängt.
Rz. 2
Die Effektivität des UN-Kaufrechts wird zum einen dadurch eingeschränkt, dass dessen Vorschriften abdingbar sind (vgl. dazu unten Rdn 30). Zum anderen haben viele Vertragsstaaten, so auch Deutschland, bei der Übernahme des UN-Kaufrechts in das nationale Recht auf Art. 95 CISG gestützte Vorbehalte erklärt. Andere Staaten haben das UN-Kaufrecht nur teilweise in Kraft gesetzt, gem. Art. 96 CISG Formerfordernisse des nationalen Rechts aufrechterhalten oder auch Teil-Territorien von der Geltung ausgenommen (vgl. dazu unten Rdn 11). In der Vergangenheit haben immer wieder Vertragsstaaten Vorbehaltserklärungen aufgehoben und/oder andere Erklärungen abgegeben.
Rz. 3
Dennoch darf die praktische Bedeutung des UN-Kaufrechts nicht unterschätzt werden. Trotz der genannten Einschränkungen ist die Akzeptanz des UN-Kaufrechts sehr hoch, was nicht nur durch die kontinuierliche Zunahme der Vertragsstaaten, sondern v.a. durch den Umstand, dass der überwiegende Teil der europäischen und wichtige lateinamerikanische Länder, einige Länder Afrikas und des Vorderen Orients sowie v.a. die USA und China Vertragsstaaten sind. Damit gehören die wichtigsten Handelspartner Deutschlands zu den Vertragsstaaten. Der Schätzung zufolge werden ca. 80 % der deutschen Exporte und ca. 70 % der deutschen Importe mit Vertragspartnern abgewickelt, die in den Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts ansässig sind. Bereits aus diesem Grund bestimmt es das wirtschaftliche Leben in den Vertragsstaaten in erheblichem Umfang.
Rz. 4
Hinzu kommt, dass aufgrund der sog. "Vorschaltlösung" in Art. 1 das UN-Kaufrecht (vgl. dazu unten Rdn 27) auch im Verhältnis zwischen Deutschland und Nicht-Vertragsstaaten Anwendung findet, wenn das internationale Privatrecht (im Folgenden auch kurz: IPR) des Forums zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führt.
Rz. 5
Das UN-Kaufrecht ist ferner von erheblicher praktischer Relevanz, weil dessen Bestimmungen auch den Abschluss der in seinen Anwendungsbereich fallenden Verträge regeln. Der praktische Schwerpunkt der Regelungen liegt dabei auf dem Recht der Leistungsstörungen, das stärker ausgebaut ist als im Kaufrecht des deutschen BGB.
Rz. 6
Das UN-Kaufrecht hat zudem eine besondere Bedeutung, da die ansonsten notwendige Bestimmung des Vertragsstatuts durch die Regeln des IPR zur Anwendung ausländischen Rechts führen könnte, was für den deutschen Vertragspartner oftmals unvorhersehbare Folgen mit sich bringt.
In Deutschland ist ebenso wie in vielen anderen Ländern anerkannt, dass sich internationale Verträge nicht zwingend nach dem Recht des Forums richten, sondern jeweils zu klären ist, ob und wieweit der internationale Charakter des jeweiligen Vertrages zu berücksichtigen ist. Deutsche Gerichte wenden dementsprechend nicht auf jeden Vertrag, der einen internationalen Bezug aufweist, deutsches Sachrecht an. Vielmehr muss in diesen Fällen auf das im EGBGB geregelte internationale Privatrecht zurückgegriffen werden. Dort regeln die Art. 27 ff. EGBGB, welches Recht für den konkreten Fall zur Anwendung kommt. Dabei geht Art. 27 EGBGB im Grundsatz davon aus, dass die Parteien das anzuwendende Recht frei wählen können. Ein typischer Anwendungsfall dieser Regel ist eine Klausel wie "dieser Vertrag unterliegt dem Recht des deutschen BGB/HGB" oder einfacher "für diesen Vertrag gilt deutsches Recht". Allerdings sind für derartige Rechtswahlklauseln in der Praxis Einschränkungen zu berücksichtigen. In einigen Ländern wie bspw. Brasilien, Uruguay, aber auch in der arabischen Welt werden Rechtswahlklauseln eingeschränkt oder gar nicht anerkannt. Die Vereinbarung der Anwendung deutschen Rechts mit einem brasilianischen Unternehmen wäre daher weitgehend wertlos. Zudem stellt sich bei Vertragsverhandlungen das Problem der Verhandlungsstärke. Es dürfte fraglich sein, ob ein chinesischer Importeur deutscher Maschinen davon überzeugt werden kann, sich in einer Rechtswahlklausel der Anwendung deutschen Rechts zu unterwerfen. Dies ist besonders dann problematisch, wenn der deutsche Exporteur der Maschinen sehr auf das Geschäft mit seinem chinesischen Kunden angewiesen ist. In diesen Fällen sorgt das UN-Kaufrecht für eine erhebliche Verbesserung der rechtlichen Stellun...