1. Vorschlag zum Abschluss eines Vertrages
Rz. 39
Ein Vertrag kommt durch ein Vertragsangebot einerseits und die korrespondierende sowie rechtzeitige Vertragsannahme andererseits zustande. Für das Angebot als empfangsbedürftige Willenserklärung müssen die nach dem IPR maßgeblichen nationalen Vorschriften über Geschäftsfähigkeit, Willensmängel und Vertretungsmacht beachtet werden. Falls einschlägig müssen auch nach nationalem Recht bestehende Vorschriften des Verbraucherschutzes beachtet werden. Die Auslegung des Angebots bestimmt sich nach Art. 8 CISG.
Eine nicht an einen bestimmten Adressaten gerichtete Erklärung ist kein Angebot, sondern lediglich eine Publikumsofferte. Vorschläge mit dem Hinweis "Freibleibend" sind ebenfalls keine Angebote. Hier mangelt es bereits an einem Bindungswillen (Art. 14 Abs. 1 CISG). Ergibt sich hingegen aus den Umständen, dass der Erklärende ungeachtet der Person des Erklärungsempfängers zum Vertragsschluss bereit ist, so ist auch eine solche Erklärung nach Art. 14 Abs. 2 CISG als Angebot zu betrachten.
2. Bestimmtheitserfordernis
Rz. 40
Nach Art. 14 CISG ist weiter erforderlich, dass das Angebot inhaltlich genügend bestimmt ist. Demnach ist eine Einigung über die essentialia negotii Voraussetzung. Das Gesetz verlangt zum einen als Mindestinhalt des Angebots, dass Ware und Menge bestimmt oder zumindest bestimmbar sind. Allerdings können darüber hinaus im Einzelfall auch weitere Regelungen, etwa über Leistungsort und -zeit, zu den Mindestinhalten zählen. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist dafür nicht zwingend erforderlich. Ausreichend ist, dass eine Festsetzung ggf. auch im Wege der Auslegung möglich ist. Dem Bestimmbarkeitserfordernis ist Genüge getan, wenn auf ein Angebot verwiesen wird. Dasselbe gilt, wenn die konkrete Bestimmung durch einen Dritten erfolgen soll. Bloße Vorschläge ohne Angabe der Liefermenge sind keine Vertragsangebote.
Rz. 41
Des Weiteren verlangt Art. 14 CISG – anders als das deutsche BGB – ausdrücklich auch Bestimmbarkeit im Hinblick auf den für die Ware zu zahlenden Preis. Allerdings ist dabei eine Bezugnahme bspw. auf Preislisten oder Kataloge ausreichend. Lässt sich jedoch anhand der von den Parteien getroffenen Absprachen nebst der äußeren Umstände der Vertragsverhandlungen ein bestimmter Preis nicht ermitteln, so kann dieser Mangel dazu führen, dass kein wirksames Angebot i.S.d. Art. 14 CISG vorliegt. Ein Angebot ohne jede Preisangabe führt auch dann nicht zu einem Vertragsschluss, wenn die Parteien nachfolgend "offene Abrechnung" oder eine Gewinnbeteiligung vereinbaren. Liefert in diesen Fällen der Verkäufer dennoch, so riskiert er, keine rechtliche Grundlage für die Geltendmachung des Kaufpreises zu haben.
3. Bindungswille
Rz. 42
Darüber hinaus verlangt das Gesetz, dass der subjektive Bindungswille des Erklärenden nach außen hin erkennbar zum Ausdruck kommt. Dabei ist gem. Art. 8 CISG der Empfängerhorizont maßgeblich. Der Anbietende hat die Möglichkeit, eine Bindung auszuschließen. Dies setzt jedoch voraus, dass dies ausdrücklich geschieht ("freibleibend") oder sich aus den Umständen ergibt. Letzteres gilt etwa für Werbung bzw. Kataloge. Demgegenüber wird das Übersenden einer angefragten pro forma Rechnung gewöhnlich als Angebot zum Abschluss eines Vertrages verstanden. Unterschreibt bspw. ein Geschäftsführer ein Dokument in englischer Sprache, obwohl er mangels Sprachkenntnisse die Tragweite nicht erkennt, ist dies für die Wirksamkeit der Erklärung unerheblich.
4. Zugang
Rz. 43
Das Angebot wird gem. Art. 15 Abs. 1 CISG wirksam, sobald es dem Empfänger gem. Art. 24 CISG zugeht, d.h. in seinen Verantwortungsbereich gelangt. Etwas anderes gilt gem. Art. 15 Abs. 2 CISG nur dann, wenn den Empfänger des Angebots spätestens bis zu diesem Zeitpunkt eine Erklärung des Anbietenden erreicht, der zufolge das Angebot nicht aufrechterhalten werden soll.
5. Widerrufsmöglichkeit
Rz. 44
Neben der Rücknahme gem. Art. 15 CISG eröffnet Art. 16 CISG zusätzlich die dem deutschen Recht nicht bekannte Möglichkeit, das Angebot zu widerrufen, obwohl es dem Empfänger bereits vorliegt. Die Ausübung des Widerrufs ist allerdings nur bis zur Absendung der Annahmeerklärung möglich. Ein danach erklärter Widerruf ist ohne Wirkung. Den Zeitpunkt des Zugangs hat der Anbietende zu beweisen, der Annehmende trägt hingegen die Beweislast für die Absendung der Annahmeerklärung vor Zugang des Widerrufs. Allerdings ist ein Widerruf nicht möglich, wenn der Anbietende auf diese Möglichkeit verzichtet hat oder sich aus den sonstigen Umständen ergibt, dass ein Widerruf des Angebots nicht in Betracht zu ziehen war.
Rz. 45
Soll ein derartiger Verzicht im Geschäftsverkehr mit angloamerikanischen Staaten vereinbart werden, so ist zu beachten dass der dortige Rechtskreis in recht großzügiger Weise den Widerruf e...