Rz. 60
Das Zusammenspiel von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und dem UN-Kaufrecht spielt in der Praxis eine große Rolle. Die Fragen der Einbeziehung und der Inhaltskontrolle bereiten vielfach erhebliche Probleme, die jeweils am Einzelfall genau zu prüfen sind.
Rz. 61
Die Einbeziehung von AGB in einem dem UN-Kaufrecht unterfallenden Kaufvertrag beurteilt sich, soweit kein Ausschluss dieses Rechts zwischen den Parteien vorliegt, nach den Bestimmungen des UN-Kaufrechts und nicht nach den §§ 305 ff. BGB. Die überwiegende Meinung greift insoweit auf Art. 14 CISG i.V.m. Art. 8 CISG zurück. Das bedeutet, dass die AGB-Klauseln ebenso wie die sonstigen Vertragsinhalte in das zum Vertragsabschluss führende Vertragsangebot und damit in die vertraglichen Absprachen der Parteien aufgenommen werden müssen. In Anlehnung an die bereits dargestellten Grundsätze ergibt sich Folgendes:
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Die AGB-Klauseln müssen dem Vertragspartner bis zum Zeitpunkt der Erklärung der Vertragsannahme vorliegen, |
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der AGB-Verwender muss dem Vertragspartner bis zum Zeitpunkt der Erklärung der Vertragsannahme deutlich machen, dass die AGB Teil seines Vertragsangebots sind, |
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die Vertragsannahme durch den anderen Vertragspartner muss in zu vermutender Kenntnis des Geltungshinweises auf die vorliegenden AGB erklärt werden. |
1. Kenntnisverschaffungspflicht des Verwenders
Rz. 62
Für das UN-Kaufrecht besteht im Gegensatz zum deutschen Recht eine Kenntnisverschaffungspflicht des Verwenders, d.h., der Verwender hat dafür Sorge zu tragen, dass die AGB der anderen Vertragspartei zugehen. Es ist nicht ausreichend, dass die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme besteht, indem die AGB bei einer Kammer, einem Gericht, im Internet oder an einem anderen Ort hinterlegt sind und dort eingesehen werden können oder auf Abruf bereitgehalten werden. Vielmehr muss der Verwender die AGB der anderen Partei unaufgefordert ausdrücklich zukommen lassen. Die bloße Bezugnahme genügt nicht, allerdings ist nicht erforderlich, dass das AGB-Formular zusammen mit dem übrigen Vertragsangebot zugeht, körperlich mit dem eigenen Vertragstext verbunden ist oder von den Parteien abgezeichnet wird. Ausreichend ist der eindeutige Hinweis des Verwenders, dass die AGB in ihrer Gesamtheit Teil des Vertragsinhalts sein sollen, wenn zudem der Wortlaut der AGB der anderen Vertragspartei unaufgefordert vorgelegt wird und die Klauseln bis zum Zeitpunkt der Erklärung der Vertragsannahme vorliegen. Wenn die allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite des Briefpapiers abgedr. werden, genügt demnach die Versendung nur der Vorderseite nicht für die Einbeziehung der AGB.
2. Sprachenrisiko
Rz. 63
Aus der Kenntnisverschaffungspflicht des Verwenders folgt, dass die AGB und auch der Hinweis auf ihre Geltung die Verständnismöglichkeit des jeweiligen Empfängers berücksichtigen müssen. Sind die AGB in einer Sprache formuliert, die der anderen Partei nicht ohne Weiteres zugänglich ist, hat der Verwender seiner Kenntnisverschaffungspflicht nicht genügt, er trägt insofern das Sprachenrisiko.
Hinweis
Die AGB müssen daher entweder in der Verhandlungssprache abgefasst werden, oder aber es ergibt sich aus den zwischen den Parteien praktizierten Gepflogenheiten gem. Art. 9 CISG, dass die Verwendung anderer Sprachen ausreicht. Der Verwender darf allerdings nicht davon ausgehen, dass jeder Käufer oder Verkäufer hinreichend Englisch, Französisch, Spanisch oder Deutsch versteht.
3. Abweichende und kollidierende AGB
Rz. 64
In dem Fall, dass der Empfänger des Angebots zwar schriftlich bestätigt, die Bestätigung allerdings Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen aufweist, ist – anders als im innerdeutschen Recht – nach Art. 19 Abs. 1 CISG nicht von einer Annahme des Angebots, sondern von einem neuen Angebot auszugehen, das seinerseits wiederum angenommen werden muss. Problematisch kann dies sein, wenn die Parteien dennoch mit der Vertragsdurchführung beginnen und damit zeigen, dass sie sich rechtlich an das Geschäft gebunden fühlen, also von einem Vertragsabschluss ausgehen.
Rz. 65
Nach der oftmals vertretenen und sich aus dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 CISG ergebenden "Theorie des letzten Wortes" oder "last-shot-rule" soll es darauf ankommen, welche Partei zuletzt auf ihre Bedingungen verwiesen hat. Kritisiert wird an dieser Lösung insb., dass sie nicht der Vertragswirklichkeit im internationalen Wirtschaftsverkehr entspricht, da die Verweisung auf AGB häufig nicht das Ergebnis einer auf den konkreten Fall bezogenen bewussten Entscheidung ist, sondern vielmehr durch die Benutzung von Standardformeln erfolgt. Nach der zunehmend vertretenen Restgültigkeitstheorie soll der Vertrag daher auch bei der Verwendung kollidierender AGB bestehen bleiben, wobei an die Stelle der nich...