1. Überblick
Rz. 102
Ausgangspunkt für die Rechtsbehelfe des Käufers ist Art. 45. Abs. 1 CISG. Die Vorschrift enthält die verschiedenen Rechtsbehelfe, die dem Käufer im Fall einer Vertragsverletzung durch den Verkäufer zustehen. Art. 46 CISG regelt die Erfüllungsansprüche, Art. 49 CISG enthält das Recht zur Vertragsaufhebung und gem. Art. 50 CISG steht dem Käufer das Recht zur Minderung des Kaufpreises zu (vgl. unten Rdn 111). Die Art. 51 und Art. 52 CISG enthalten spezielle Regelungen für die Teillieferung, die Zuviellieferung oder die Lieferung vor Fälligkeit. Art. 47 CISG ermöglicht die Nachfristsetzung durch den Käufer. Wie im deutschen Recht ist diese Nachfristsetzung für die Ausübung bestimmter Rechtsbehelfe erforderlich (vgl. z.B. Art. 49 Abs. 1 Buchst. b) CISG und unten Rdn 110). Art. 48 CISG berechtigt den Verkäufer grds., die Vertragsverletzung zu heilen und eröffnet ihm somit ein Recht zur zweiten Andienung. Art. 45 Buchst. b) CISG ist die Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzansprüche des Käufers (vgl. unten Rdn 112). Die Art. 74 ff. CISG bestimmen nur die Schadensberechnung sowie den Umfang des ersatzfähigen Schadens (vgl. unten Rdn 114). Art. 45 Abs. 2 CISG stellt klar, dass der Käufer seiner Schadensersatzansprüche nicht dadurch verlustig wird, dass er andere Rechtsbehelfe ausübt.
Rz. 103
Die Rechtsbehelfe des UN-Kaufrechts sind grds. verschuldensunabhängig. Dies gilt auch für den Schadensersatzanspruch. Gem. Art. 74 Satz 2 CISG findet allerdings ein Vorhersehbarkeitskriterium Berücksichtigung.
Rz. 104
Die einzelnen Rechtsbehelfe der Art. 45 ff. CISG beruhen auf einem einheitlichen Verletzungstatbestand. Art. 45 CISG unterscheidet nicht nach der Art der Vertragsverletzung. Vielmehr sieht die Vorschrift vor, dass bei Verletzung irgendeiner vertraglichen Pflicht (Haupt- und Nebenpflichten) durch den Verkäufer, der Käufer berechtigt ist, die geregelten Rechtsbehelfe auszuüben. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die konkrete Pflicht unmittelbar aus dem Übereinkommen oder aus dem Vertrag ergibt. Dem deutschen Schuldrecht vergleichbar ist es allerdings innerhalb der einzelnen Rechtsbehelfe erforderlich, zwischen den verschiedenen Arten der Vertragsverletzung zu unterscheiden (vgl. z.B. Art. 49 Abs. 1 Buchst. a), Buchst. b) CISG).
Hinweis
Das Rechtsbehelfssystem der Art. 45 ff. CISG ist im Grundsatz darauf ausgerichtet, die Rückabwicklung des Vertrages zu vermeiden. Dem liegt die wirtschaftliche Erwägung zugrunde, dass durch die Rückabwicklung Kosten und Risiken entstehen, die vermieden werden, wenn die Ware beim Käufer bleibt und dessen Nachteile auf andere Weise ausgeglichen werden.
Rz. 105
Beabsichtigt der Käufer Rechtsbehelfe geltend zu machen, so muss er im Grundsatz Folgendes beachten:
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Sämtliche Rechtsbehelfe wegen der Lieferung einer nicht vertragsgemäßen Ware setzen voraus, dass der Käufer zunächst besondere Anzeigen vornimmt. Weicht die vom Verkäufer gelieferte Ware nach Art, Menge, Qualität oder aus anderen Gründen von dem ab, was nach dem abgeschlossenen Vertrag zu erwarten war, so ist der Käufer gehalten, die Abweichung nach Feststellung oder Erkennbarkeit zu rügen. Er muss die Lieferung binnen einer kurzen Frist untersuchen. Als kurze Frist werden ein bis 2 Wochen angenommen. Die eigentliche Anzeigeverpflichtung kann nach Art. 39 CISG in einer angemessenen Frist vorgenommen werden. Das Verstreichenlassen eines Monats wird regelmäßig zu lang sein. Kommt der Käufer dieser Obliegenheit nicht nach, so besteht die Gefahr, mögliche Rechtsbehelfe wegen vertragswidriger Lieferung nicht mehr geltend machen zu können (Art. 39 CISG). Nach rügeloser Übernahme hat der Käufer eine Vertragswidrigkeit der Ware zu beweisen. |
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Um zu klären, ob die Ware den vertraglichen Erwartungen entspricht, verpflichtet das UN-Kaufrecht den Käufer ausdrücklich, die angelieferte Ware zu untersuchen (Art. 38 CISG). Auf diese Weise soll – auch im Interesse des Verkäufers – eine schnelle Klärung herbeigeführt werden. Dies trägt in besonderem Maße dem internationalen Handel Rechnung, der in hohem Maße auf Schnelligkeit angewiesen ist. Die Rügeverpflichtung des UN-Kaufrechts beruht damit auf ähnlichen Erwägungen wie die Rügepflicht des deutschen HGB. |
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Im Gegensatz zum innerdeutschen Recht besteht eine Rügepflicht innerhalb einer angemessenen Frist für den Käufer auch dann, wenn die gelieferte Ware mit Rechten oder Ansprüchen Dritter belastet ist. Hinsichtlich der Frist sind die Umstände des jeweiligen Falles und die Art des Rechtsmangels zu beachten. |
Rz. 106
Zur Wahrung der Rechtsbehelfe wegen Lieferung vertragswidriger Ware hat der Käufer die Vertragswidrigkeit gem. Art. 39 CISG anzuzeigen. Daraus muss eindeutig erkennbar werden, dass der Käufer mit der gelieferten Ware nicht einverstanden ist. Dabei muss er die Anzeigefrist gem. Art. 39 Abs. 1 CISG beachten (angemessen). Die Parteien können die Sachmängelhaftung auch wirksam ausgeschlossen haben. Dann bestehen die Ansprüche nicht mehr.