Rz. 208
An einem einzelkaufmännischen Unternehmen ist eine verwaltende Testamentsvollstreckung nach h.M. nicht möglich. Der Einzelkaufmann haftet nämlich grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar mit seinem privaten und betrieblichen Vermögen, wohingegen ein Testamentsvollstrecker für den Erben nur Nachlassverbindlichkeiten begründen kann (§ 2206 BGB), für die der Erbe nur beschränkbar haftet. Denn nach den erbrechtlichen Bestimmungen (§§ 1975, 1990 BGB) kann grundsätzlich auch noch nach geraumer Zeit die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass durchgeführt werden kann; so würde der Erbe – wäre eine Testamentsvollstreckung über das Handelsgeschäft möglich – aufgrund der Testamentsvollstreckung der Haftung mit seinem nicht-ererbten Vermögen entgehen. Im Interesse der Gläubiger räumt das Gesetz (vgl. Art. 2 EGHGB) dem Handelsrecht den Vorrang ein und lässt das Erbrecht zurücktreten.
Rz. 209
Seit dem 1.1.1999 ist das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz (§ 1629a BGB) in Kraft. Die Vorschrift durchbricht das Dogma, wonach die persönliche Haftung des Kaufmanns nicht eingeschränkt werden kann: Ein minderjähriger Kaufmann kann sich beim Eintritt in die Volljährigkeit von allen seinen Schulden befreien, er verliert dabei aber sein gesamtes zu diesem Zeitpunkt vorhandenes Vermögen – nicht nur das geschäftliche. Lorz hat nun folgenden Gedanken entwickelt: Der Minderjährige kann kraft Gesetzes bei Erreichen der Volljährigkeit seine Haftung gemäß § 1629a BGB beschränken, er kann also verhindern, dass er mit Schulden beladen in die Volljährigkeit übertritt. Da es für Minderjährige also eine Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auch beim einzelkaufmännischen Handelsgeschäft gibt, könne man für die Zeit der Minderjährigkeit auch eine Verwaltungsvollstreckung am einzelkaufmännischen Unternehmen des Minderjährigen, das dieser geerbt hat, zulassen.
Rz. 210
Damit wäre dem Anliegen vieler Erblasser gedient, die, insbesondere für die Zeit der Minderjährigkeit der Kinder, ihren Nachlass, vor allem auch das dazu gehörige Handelsgeschäft, lieber einem Testamentsvollstrecker als dem überlebenden Elternteil anvertrauen würden und denen die Möglichkeiten der Einsetzung eines Vermögensverwalters nach § 1638 BGB nicht genügt, weil der Minderjährige für dessen Schulden unbeschränkbar haftet (siehe Rdn 83 ff. und Rdn 141 ff.).
Rz. 211
Bei der Anwendung des § 1629a BGB ist zunächst folgende Hürde zu nehmen: § 1629a BGB spricht zwar von Eltern "und sonstigen vertretungsberechtigten Personen" – wohingegen der Testamentsvollstrecker gerade nicht Vertreter ist, sondern im eigenen Namen als Inhaber eines privatrechtlichen Amtes handelt; aber man kann die Vorschrift nach Sinn und Zweck durchaus analog auf den Testamentsvollstrecker anwenden.
Beispiel
Die 14-jährige Minderjährige erbt als Alleinerbin von ihrem Großvater neben einem unbedeutenden Geldbetrag ein einzelkaufmännisches Handelsgeschäft. Es ist Verwaltungsvollstreckung bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Erben angeordnet. Der Nachlass ist aktiv, das Unternehmen arbeitet (zunächst) mit Gewinn. Mit 15 Jahren macht die Minderjährige noch eine Erbschaft, die von ihren Eltern verwaltet wird: Die Erbschaft besteht aus Wertpapieren. Auch hat die Minderjährige mit 16 Jahren noch einen hohen Lottogewinn. Beim Eintritt in die Volljährigkeit mit 18 Jahren sind die Geschäftsschulden aus dem vom Testamentsvollstrecker verwalteten Unternehmen – unterstellt dies wäre zulässig – weitaus größer als der Wert des Unternehmens.
Nunmehr stellt der Testamentsvollstrecker den Betrieb des Geschäfts ein.
Die volljährig Gewordene beschränkt nunmehr ihre Haftung gemäß § 1629a BGB (sie macht die Einrede der Haftungsbeschränkung geltend) und gibt auch binnen der Frist des § 1629a Abs. 4 BGB das Handelsgewerbe auf.
Die Verwaltungsvollstreckung am Handelsgeschäft würde, wenn man Lorz folgt, mit der Volljährigkeit des Erben beendet, weil sie im Allgemeinen am einzelkaufmännischen Handelsgeschäft kraft Gesetzes nicht zulässig ist.
Wäre eine Testamentsvollstreckung über das Handelsgeschäft für die Zeit der Minderjährigkeit zulässig, dann stünde den Geschäftsgläubigern im Zeitpunkt der Volljährigkeit des Betriebsinhabers nur das Vermögen als Haftungsmasse zur Verfügung, das der Testamentsvollstrecker verwaltet, also das Betriebsvermögen des Handelsgeschäfts, wobei an die Stelle der beim Tod des Erblassers vorhandenen Vermögensgegenstände die jeweiligen Surrogate getreten sind (§ 2211 BGB). Die Beschränkung auf das Betriebsvermögen würde sich aus § 2206 BGB herleiten, wonach der Testamentsvollstrecker nur Nachlassverbindlichkeiten begründen kann (§ 2206 BGB) und der Nachlass nur aus dem Handelsgeschäft besteht. Würde die Testamentsvollstreckung im Zeitpunkt des Eintritts in die Volljährigkeit enden, dann würde deren Verwaltungszuständigkeit auf den volljährig Gewordenen übergehen. Dieser müsste gemäß § 1629a BGB mit seinem gesamten Vermögen (auch Lottogewinn und Wertpapiere) für die Schulden aufkomm...