Rz. 286

Gerade in gerichtlichen Verfahren der ersten Instanz werden Vergleiche unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossen. Dies liegt oft daran, dass der RA noch Rücksprache mit seinem Auftraggeber über die erzielte Einigung halten will und sein ausdrückliches Einverständnis einholen möchte. Manchmal muss der erzielte Vergleich auch der Rechtsschutzversicherung des Auftraggebers vorgelegt werden, damit diese ihr Einverständnis mit der getroffenen Kostenregelung erteilen kann. Ein häufiger Grund für eine Auseinandersetzung mit einer Rechtsschutzversicherung ist die vereinbarte Kostenquote. Die Rechtsschutzversicherung zahlt nur die Vergütung, die dem Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen entspricht. Üblich ist jedoch eine Kostenaufhebung (jede Partei zahlt die eigenen Anwaltskosten und die Hälfte der Gerichtskosten – § 98 ZPO) in Vergleichen.

 

Rz. 287

 

Praxistipp:

Wenn Sie Ihren Auftraggeber um die Zustimmung zu dem unter Vorbehalt geschlossenen Vergleich gebeten haben, dann sollten Sie den Auftraggeber bei bestehender Rechtsschutzversicherung auf die besondere Problematik der Erstattung durch seine Versicherung hinweisen und rein vorsorglich um seine Weisung bitten, wie Sie verfahren sollen, wenn die Versicherung sich nicht oder nur zum Teil an den Einigungsgebühren beteiligt.

 

Rz. 288

Muster 8.26: Vergleich unter Widerrufsvorbehalt – RSV

 

Muster 8.26: Vergleich unter Widerrufsvorbehalt – RSV

Anrede,

wir haben in der streitigen gerichtlichen Auseinandersetzung einen Vergleich unter Widerrufsvorbehalt mit der Gegenseite geschlossen. Der Vergleich sieht vor, dass Sie von Ihrer Forderung 2/3 (Summe) erhalten. Der Vergleich ist mit einer zusätzlichen Klausel versehen, dass für den Fall, dass eine Zahlung an Sie nicht bis zum (Datum) erfolgt, der Gesamtbetrag nebst Zinsen von der Gegenseite geschuldet wird. Allerdings befürchten wir für den Fall, dass die geringere Vergleichszahlung nicht fristgerecht geleistet wird, Zahlungsschwierigkeiten auf Gegnerseite. Vor Einleitung von etwa erforderlichen Vollstreckungsmaßnahmen würden wir Sie dann noch einmal informieren.

Es gibt im vorliegenden Fall eine weitere Schwierigkeit, die zu beachten ist. Es ist möglich, dass Ihre Rechtsschutzversicherung, die wir über den Vergleich mit gleicher Post informiert haben, für den abgeschlossenen Vergleich keine Kostendeckung übernimmt, oder diese einschränkt. Dies findet seine Ursache darin, dass die Versicherung nur Kosten zahlt, die aufgrund eines zutreffenden Verhältnisses von Obsiegen zu Unterliegen entstanden sind. Hier könnte es an diesem Kostenverhältnis fehlen. Sie haben Ihr Anliegen zu 2/3 durchsetzen können, wenn der Vergleich wirksam zustande kommt. Die übliche Kostenregelung bei Vergleichen ist jedoch (gesetzlich vorgegeben) eine sog. Kostenaufhebung. Kostenaufhebung entspricht einem Obsiegen ("gewinnen") zu 50 %. Dann trägt jede Partei die eigenen Anwaltskosten und die Hälfte der Gerichtskosten. Das hier gegebene Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen würde daher eine andere Kostenquote rechtfertigen. Wir haben uns bemüht – in Kenntnis der zu erwartenden Schwierigkeiten mit der Rechtsschutzversicherung – mit der Gegenseite eine andere Kostenquote zu vereinbaren. Dazu war die Gegenseite aber nicht bereit.

Wir können daher hier ohne Vorliegen der Stellungnahme Ihrer Rechtsschutzversicherung nicht ausschließen, dass ein Teil der Kosten für unsere Vertretung bei Ihnen verbleiben wird. Die Höhe Ihres Anteils hängt von der Höhe ab, die die Rechtschutzversicherung bereit ist zu zahlen.

Bitte beachten Sie bei Ihren Überlegungen über den Fortgang der Angelegenheit, dass wir ein positives Urteil nicht gewährleisten können. Es ist nicht auszuschließen, dass nach Widerruf des Vergleichs der Rechtsstreit auch insgesamt zu Ihren Lasten entschieden wird.

Bitte teilen Sie uns bis zum (Datum) mit, ob Sie mit dem geschlossenen Vergleich auch unter Berücksichtigung einer etwa eigenen Kostenlast einverstanden sind.

Grußformel

a) Kein Entstehen der Einigungsgebühr bei Widerruf

 

Rz. 289

Wird ein Vergleich unter dem Vorbehalt des Widerrufs abgeschlossen, dann hängt das Entstehen der Einigungsgebühr davon ab, dass ein wirksamer Widerruf nicht mehr möglich ist (Anm. Abs. 3 zu Nr. 1000 VV RVG).

b) Bestehende andere Gebühren bei Widerruf

 

Rz. 290

Dies gilt nur für die Einigungsgebühr. Ist ein Vergleich unter der Einbeziehung sog. nicht rechtshängiger Ansprüche protokolliert worden, ist für die Protokollierung des Vergleichs (Einigung) eine sog. Differenzverfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG (in der ersten Instanz) entstanden. Diese entfällt nicht, wenn der Vergleich anschließend widerrufen wird. Ob die Differenzverfahrensgebühr im Fall des Widerrufs des Vergleichs für den Fall des Obsiegens erstattungsfähig ist und vom Gegner auch an die obsiegende Partei erstattet werden muss, ist eine andere Frage. Sie müssen (wie überall) zwischen dem Entstehen einer Gebühr und deren Erstattungsfähigkeit (und damit Festsetzbarkeit) unterscheiden. Die Differenzverfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG (oder andere in entsprechenden Instanzen) geht – auch für ...

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