Rz. 513

 

Teil 3, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1: Berufung, bestimmte Beschwerden und Verfahren vor dem Finanzgericht

Gekürzte Darstellung von Vorbemerkung 3.2.1:

Dieser Unterabschnitt ist auch anzuwenden in Verfahren

1. vor dem Finanzgericht,
2.

über Beschwerden

a) gegen die den Rechtszug beendenden Entscheidungen in Verfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel oder auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu ausländischen Titeln sowie über Anträge auf Aufhebung oder Abänderung der Vollstreckbarerklärung oder der Vollstreckungsklausel,
b) gegen die Endentscheidung wegen des Hauptgegenstands in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
c) gegen die den Rechtszug beendenden Entscheidungen im Beschlussverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen,
d) gegen die den Rechtszug beendenden Entscheidungen im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit,

(…)

Nr. 3200

 
Nr. Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG
3200 Verfahrensgebühr, soweit in Nummer 3204 nichts anderes bestimmt ist 1,6

1. Allgemeines

 

Rz. 514

Durch die entsprechenden Vorschriften in den Prozessgesetzen wird geregelt, wann ein Berufungsverfahren vorliegt (z.B. §§ 511 ff. ZPO, §§ 64 ff. ArbGG, §§ 124 ff. VwGO, §§ 143 ff. SGG).

 

Rz. 515

Im Berufungsverfahren heißen die Beteiligten Berufungskläger und Berufungsbeklagter. Vertreten Sie den Berufungsbeklagten, ist das erstinstanzliche Verfahren (ganz oder z.T.) obsiegend beendet. Sie sind passiv, Ihre Tätigkeit beginnt mit der Einlegung der Berufung durch den Berufungskläger. Bei nur teilweise obsiegender Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens ist es durchaus möglich, dass beide Parteien gegen das Urteil Berufung einlegen – es werden aber nicht zwei Verfahren geführt, die Verfahren werden verbunden zu einem einheitlichen Verfahren. Auch ist es bei teilweisem Obsiegen möglich, noch im Wege der Anschlussberufung (s. § 7 Rdn 170 ff.) das erstinstanzliche Urteil anzufechten. Aber auch hier bleibt es dabei, dass nur ein Rechtszug geführt wird. Es ergeht auch hier eine einheitliche Entscheidung. Das Berufungsverfahren ist entsprechend § 15 Abs. 2 RVG gebührenrechtlich eine eigene Angelegenheit. Die Angelegenheit beginnt mit dem erteilten Auftrag zur Berufung, das gerichtliche Verfahren beginnt mit der Einreichung der Berufungsschrift beim Berufungsgericht.

 

Rz. 516

Wie im erstinstanzlichen Verfahren können in der Berufungsinstanz u.a. eine Verfahrens-, Termins- sowie Einigungsgebühr entstehen. Generell ist es denkbar, dass auch hier die Zusatzgebühr der Nr. 1010 VV RVG entsteht.

2. Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG und 3201 Nr. 1 VV RVG

 

Rz. 517

In der Nr. 3200 VV RVG wird die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren geregelt. Die volle Verfahrensgebühr i.H.v. 1,6 gem. Nr. 3200 VV RVG entsteht erst mit der Einreichung des Berufungsschriftsatzes. Für das Entstehen der Gebühr ist eine Berufungsbegründung nicht erforderlich.

Für den Berufungsbeklagten entsteht die volle Verfahrensgebühr der Nr. 3200 VV RVG mit Eingang des Berufungszurückweisungsantrages. Sie ist jedoch nicht in voller Höhe erstattungsfähig, siehe Rdn 522.

3. Berufung nur zur Fristwahrung

 

Rz. 518

Trotz der mittlerweile vielfältigen Möglichkeiten zur schnellen Kommunikation zwischen Auftraggeber und RA kommt es immer wieder vor, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Notfrist für die Einlegung der Berufung nicht eindeutig klar ist, ob die Berufung tatsächlich durchgeführt werden soll oder nicht. Weiß der Anwalt nicht sicher, ob er Berufung einlegen soll oder nicht, ist dies problematisch. Reagiert der Anwalt nicht, riskiert er den Eintritt der Rechtskraft und damit den Verlust der Anfechtbarkeit des Urteils.

 

Rz. 519

Um dies zu vermeiden, erfolgt die Einlegung der Berufung nur zur sog. "Fristwahrung". Dies ändert nichts daran, dass für den Berufungsführer mit Einlegung der Berufung die volle Verfahrensgebühr i.H.v. 1,6 entsteht. Üblicherweise nimmt der RA, der den Berufungskläger vertritt, in diesen Fällen mit dem RA des Berufungsbeklagten Kontakt auf und informiert diesen über die zunächst nur fristwahrend eingelegte Berufung und bittet die Gegenseite schriftlich, sich "nicht beim Gericht zu bestellen (oder zu melden)". Wird das Rechtsverfahren nach eingehender Prüfung weiterbetrieben, wird die Gegenseite wiederum unterrichtet und sich dann beim Gericht als Prozessvertreter bestellen.

 

Rz. 520

Dieses Vorgehen ist m.E. nicht zu empfehlen. Bis zu dem Schreiben, mit dem der Berufungsbeklagte aufgefordert wird, sich nicht zu bestellen (mandatieren, melden usw.), hat dieser noch keine Kenntnis von der eingelegten Berufung. Hat der RA des Berufungsbeklagten durch die Zustellung der Berufungsschrift oder Ihre Mitteilung, dass Berufung zur Fristwahrung eingelegt wurde, Kenntnis, wird er seinen Auftraggeber informieren. Dieser wird ihm den Auftrag erteilen, die Berufung abzuwehren, sodass mit der Erteilung des Auftrags bei dem RA des Berufungsbeklagten die 1,1 reduzierte Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG entsteht. Durch eine Informatio...

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