Rz. 887

Im Laufe eines Vollstreckungsverfahrens ist es nichts Ungewöhnliches, dass Zahlungen für den Auftraggeber auf das Konto des RA eingehen. Der RA muss Fremdgelder an den Auftraggeber weiterleiten. Selbstverständlich nur Fremdgelder, Vergütungsansprüche, die dem RA zustehen, werden nicht an den Auftraggeber ausgekehrt.

 

Rz. 888

Die Frage ist, wie lange hat der RA Zeit, das eingegangene Fremdgeld an den Auftraggeber zu erstatten, sowie, ob er das Fremdgeld aus der einen Akte mit offenen Vergütungsforderungen aus einer anderen Akte verrechnen kann.

Erhaltene Fremdgelder muss der RA unverzüglich an den Auftraggeber auskehren. Dazu führt die Kommentarliteratur aus:

Zitat

"§ 43a Abs. 5 Satz 1 BRAO formuliert den Grundsatz, dass der Anwalt bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet sei. Dieser allgemeinen Regel stellt der Satz 2 das Gebot zur Seite, fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen. Nach dem Normzweck begründet sich die Sorgfaltspflicht des Anwalts aus dem vertraglichen Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten und dessen Erwartung in die uneingeschränkte Integrität des Rechtsanwalts in seiner Stellung als Organ der Rechtspflege (Eylmann, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 43a Rn 154; Feuerich/Braun, BRAO § 43a Rn 84; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, § 43a Rn 5.)"

 

Rz. 889

Behält der RA Fremdgelder längere Zeit auf seinem Kanzleikonto, handelt er pflichtwidrig. Man unterscheidet zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Pflichtwidrigkeit. Will der RA einen Liquiditätsengpass überbrücken, so handelt er vorsätzlich. Fahrlässig handelt er, wenn Nachlässigkeit oder Vergesslichkeit die Ursache für die nicht erfolgte Weiterleitung des Fremdgeldes war.

 

Rz. 890

Die Rechtsprechung hat vorgegeben, was unter unverzüglich zu verstehen ist:

Es kommt selbstverständlich auch auf die Organisationsstruktur der Kanzlei an. Bei einem Einzelanwalt wird ein Zeitraum von zwei Tagen angenommen, innerhalb dieser Frist muss die Weiterleitung des Fremdgeldes an den Auftraggeber erfolgt sein. Nur, wenn dieser Zeitraum eingehalten ist, liegt die geforderte Unverzüglichkeit vor. Bei Großkanzleien wurde ein Zeitraum von bis zu drei Wochen als unverzüglich angesehen. Können Sie das Fremdgeld innerhalb dieser Frist nicht weiterleiten, weil Ihnen etwa die Bankverbindung des Auftraggebers nicht bekannt ist, muss die Übertragung auf ein Anderkonto erfolgen. Selbstverständlich ist klar, dass hier Theorie und Praxis weit von einander entfernt sind, aber die Folgen eines Fehlverhaltens des RA können überaus unangenehm sein. Sie werden nur solange "sorglos" mit Fremdgeld umgehen, bis einmal dann doch ein Auftraggeber Strafanzeige erhebt und ein Strafverfahren gegen den RA eröffnet wird.

 

Rz. 891

Ist dem RA eine unverzügliche Weiterleitung nicht möglich (Hinderungsgründe, die nicht in seiner Person oder Organisation seiner Kanzlei liegen), so hat der RA die Pflicht, das eingegangene Fremdgeld auf ein extra für diesen Zweck eingerichtetes Anderkonto einzuzahlen. Andere Möglichkeiten sieht das Gesetz grds. nicht vor. Allerdings ergibt sich aus § 4 Abs. 2 Satz 2 BORA, dass die Weiterleitungspflicht an den Auftraggeber Vorrang vor der Einzahlungspflicht auf ein Anderkonto hat.

 

Rz. 892

Gerade im Umgang mit fremdem Geld ist äußerste Vorsicht geboten. Für den Fall eines Fehlers kann hier sehr schnell ein Strafverfahren wegen Unterschlagung drohen (§ 246 StGB). Möglich ist auch, dass der RA wegen Untreue (§ 266 StGB) belangt wird.

 

Rz. 893

Der RA darf das eingegangene Fremdgeld mit eigenen Vergütungsforderungen aufrechnen (AG Berlin-Charlottenburg, 9.4.2003 – 20 – 2 C 541/02, JurBüro 2003, 424). Damit die Aufrechnung erfolgen kann, muss die sog. Aufrechnungslage vorliegen und die Aufrechnung muss gegenüber dem Auftraggeber erklärt werden.

 

Rz. 894

Hierbei ist Vorsicht geboten. Es muss im Einzelfall ermittelt werden, ob der besondere Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses (Dienstleistungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrag), die Natur der Rechtsbeziehungen oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lassen (BGH, 23.2.1995 – IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425).

 

Rz. 895

Ein besonderes Aufrechnungsverbot enthält § 4 Abs. 3 BORA, wonach der RA eigene Vergütungsforderungen nicht mit Geldern verrechnen darf, die zweckgebunden zur Auszahlung an andere als den Auftraggeber bestimmt sind. Hierzu zählt insbesondere der Unterhaltsanspruch des Auftraggebers, der als Fremdgeld auf dem Konto eingegangen ist. Eine Verrechnung mit Unterhaltsansprüchen fällt unter das Aufrechnungsverbot von § 4 Abs. 3 BORA.

 

Rz. 896

Muster 8.87: Aufrechnungserklärung gegenüber dem Mandanten Fremdgeld – offene Vergütungsansprüche

 

Muster 8.87: Aufrechnungserklärung gegenüber dem Mandanten Fremdgeld – offene Vergütungsansprüche

Anrede,

in der vorbezeichneten Angelegenheit können wir eine erfreuliche ...

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