Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 42
Die Prüfung, ob etwas, das aus Erbfall und/oder Schenkung zugeflossen ist oder zufließen soll, rechtlich Vermögen ist, wird im BAföG anders als im SGB II und SGB XII nicht aus der Abgrenzung zum Einkommen negativ definiert, sondern in § 27 BAföG wird explizit ausgeführt, dass als Vermögen
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bewegliche und unbewegliche Sachen, |
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Forderungen und |
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sonstige Rechte |
gelten.
Rz. 43
Gegenstände, die in § 27 BAföG nicht ausdrücklich aufgezählt werden, sind nicht zu berücksichtigen. Andererseits ist der förderungsrechtliche Vermögensbegriff umfassend zu verstehen. Vermögen, das nicht unter den abschließenden Katalog des § 27 Abs. 2 BAföG und nicht unter die nach § 27 Abs. 1 S. 2 BAföG ausgenommenen Gegenstände fällt, zählt damit ungeachtet seiner spezifischen Rechtsnatur, seines Ursprungs und Inhalts zum Vermögen im förderungsrechtlichen Sinne.
Rz. 44
Der Begriff der Sache knüpft an den des § 90 BGB an. Darunter versteht man alle körperlichen Gegenstände. Unbewegliche Sachen sind Grundstücke inkl. wesentlicher Bestandteile, darauf errichtete Gebäude sowie Eigentumswohnungen. Bewegliche Sachen sind alle übrigen körperlichen Gegenstände.
Rz. 45
Als Forderungen sind gegen eine bestimmte Person gerichtete, vermögenswerte Rechte zu verstehen, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Auf den Rechtsgrund, aus dem die Forderung resultiert, oder darauf, auf welchem Weg das vorhandene Vermögen gebildet wurde, kommt es nicht an. Insbesondere Spar- und Bausparverträge kommen hier in Betracht sowie generell Zahlungsansprüche aus Kontoguthaben, aber auch ein Nutzungsrecht an einem Pkw, wenn es für den Antragsteller verwertbar ist (§ 27 Abs. 1 S. 2 BAföG).
Rz. 46
Sonstige (vermögenswerte) Rechte können an Sachen und Rechten bestehen, z.B. Geschäftsanteile, Patentrechte, Verlags- und Urheberrechte.
Rz. 47
Fazit: Zuflüsse aus Erbfall und Schenkung können nach der Definition des Vermögens in § 27 BAföG – ebenso wie Schenkungsrückforderungsansprüche – also grundsätzlich Vermögen sein. Die Erträge daraus können Einkommen i.S.d. Einkommensteuerrechts und deshalb als Einkommen zu berücksichtigen sein.
Rz. 48
Dass ein Auszubildender bei einer zugrunde liegenden Schenkung seiner Eltern noch minderjährig war und von diesen vertreten wurde, ändert an der zivilrechtlichen Eigentums- bzw. Forderungsinhaberschaft eines Auszubildenden nichts. Den zugrunde liegenden Schenkungsvertrag können die Eltern trotz des Verbots des Selbstkontrahierens, dem auch gesetzliche Vertreter eines unter elterlicher Gewalt stehenden Kindes unterliegen (§§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB), rechtswirksam abschließen, wenn und soweit dem Minderjährigen nur ein rechtlicher Vorteil zufließt, weil das Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 BGB nicht für solche Geschäfte gilt, die dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen.
Rz. 49
Aus der Rechtsprechung zum BAföG-Recht ergeben sich vielfältige Beispiele zu Schenkung und Erbfall:
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nicht ausgeschlagenes Geldvermächtnis; |
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Geldvermächtnis mit Verfügungsbeschränkung auf das 18. Lebensjahr ("… meiner Enkeltochter A, geb. am …, setze ich als Vermächtnis aus das Sparguthaben bei der Volksbank …, Konto-Nr. …, und Wachstumszertifikat Nr. …, mit der Maßgabe, dass die Vermächtnisnehmerin über die Einlagen auf den Sparkonten erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres verfügen darf.") mit der Begründung, gem. § 2179 BGB besitze die Bedachte während der Schwebezeit zwischen dem Erbfall und dem Anfall des Vermächtnisses bereits eine rechtlich geschützte Anwartschaft, die wirtschaftlich verwertet werden könne; |
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Pflichtteilsanspruch; |
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Miterbenanteil am Nachlass; |
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Miteigentumsanteil an einer Immobilie; |
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Miterbenanteil an einem Dauerwohnrecht einer Zweifamilienhaushälfte in noch ungeteilter Erbengemeinschaft; |
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geerbte Immobilie; |
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geschenkte Immobilie; |
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Auszahlungsanspruch gegen die Bank aus angelegtem Geld, das Vater und Großvater geschenkt hatten; |
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Auszahlungsanspruch gegen die Bank aus Sparvermögen, das durch den Vater vor seinem Tod für die Auszubildende auf deren Namen angelegt wurde; |
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Auszahlungsanspruch gegen die Bank aus einem Wertpapierdepot, das durch Schenkung des Vaters entstanden war; |
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Auszahlungsanspruch gegen die Bank aus einem geschenkten Sparbrief durch die Eltern; |
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Schenkungsrückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers gem. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB. |