Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 90
Nachdem nach den oben genannten Grundsätzen festgestellt wurde, ob überhaupt Vermögen i.S.d. BAföG beim Auszubildenden vorhanden ist, muss der Wert des Vermögens ermittelt werden. Das geschieht nach § 28 BAföG.
Rz. 91
Maßgebend ist der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung. Nach Tz 28.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG soll der Wert des Vermögens für einen Zeitpunkt nachgewiesen werden, der nicht mehr als 14 Tage vom Zeitpunkt der Antragstellung abweicht. Veränderungen in den Vermögenspositionen zwischen Antragstellung und Ende des Bewilligungszeitraums bleiben gem. § 28 Abs. 4 BAföG unberücksichtigt.
Rz. 92
Sollte es zu einem (Teil-)Verlust des Gesamtvermögens kommen, kann dies über eine weite Auslegung der Härteklausel ggf. in § 29 Abs. 3 BAföG ausgeglichen werden.
Rz. 93
Ändert sich ein für die Leistung der Ausbildungsförderung maßgeblicher Umstand, so wird der Bescheid nach § 53 BAföG geändert. § 48 SGB X (Aufhebung des Verwaltungsakts wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse) findet keine Anwendung; Erstattungen richten sich nach § 50 SGB X.
Rz. 94
Der Wert eines Gegenstandes ist nach § 28 Abs. 1 BAföG zu bestimmen
▪ |
bei Wertpapieren auf die Höhe des Kurswertes, |
▪ |
bei sonstigen Gegenständen auf die Höhe des Zeitwertes. |
Rz. 95
Der Zeitwert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstandes ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Auf § 9 BewG nimmt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 28 BAföG ausdrücklich Bezug. § 9 BewG regelt, dass ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Als persönliche Verhältnisse sind auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen (hier: Auszubildenden) oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Das gilt insbesondere für Verfügungsbeschränkungen, die auf letztwilligen Anordnungen beruhen. Davon zu unterscheiden sind die sachlichen Verfügungsbeschränkungen, die sich auf die Bewertung auswirken.
Rz. 96
Zu den persönlichen Verhältnissen gehören z.B. die Verpflichtungen eines Eigentümers, ein Grundstück einem anderen unentgeltlich zur Benutzung zu überlassen. Damit sind die Anordnungen eines Erblassers über die Auseinandersetzung oder das Teilungsverbot einer Erbengemeinschaft bis hin zur Anordnung einer Testamentsvollstreckung gemeint. Außerdem gehören dazu erbrechtliche Verfügungsverbote, die auf einem Vermächtnis oder einer Auflage beruhen.
Rz. 97
Zu den sachlichen Verfügungsbeschränkungen, die für die Wertermittlung abzugsrelevant sind, ist aus dem Erbrecht die Vor- und Nacherbfolge zu nennen, bei der der Vorerbe nach der gesetzlichen Regel über ein Grundstück, das zur Erbmasse gehört, nicht wirksam verfügen kann, wenn dadurch das Recht des Nacherben beeinträchtigt würde.
Rz. 98
Nach Tz 28.1.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG ist bei sonstigem Vermögen, außer bei der Bewertung von Grundstücken und Betriebsvermögen, von den Wertangaben des Erklärenden auszugehen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen. Bei der Bewertung von Grundstücken und Betriebsvermögen liefert die Erklärung des Auszubildenden einen Anhaltspunkt, der auf Plausibilität zu prüfen ist.
Rz. 99
Von dem so ermittelten Betrag sind die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen. Dies gilt nicht für das nach dem BAföG erhaltene Darlehen.
Rz. 100
Hinweis
Der Abzug von Schulden und Lasten beim Vermögen ist in nachrangigen Leistungssystemen etwas ganz Besonderes. In § 90 SGB XII und § 12 SGB II wird der Überschuss der Aktiva über die Passiva bei der Bestimmung des Vermögens nicht berücksichtigt, sondern jeder Vermögensgegenstand, durch dessen Verwertung der Notlage des Hilfesuchenden ganz oder teilweise abgeholfen werden kann, ist Vermögen. Es gilt das Bruttoprinzip. Aus diesem Grund ergeben sich hinsichtlich der Frage, ob überhaupt Vermögen vorliegt und der Verwertbarkeit von Vermögen durchaus unterschiedliche Prüfungswege und durchaus auch unterschiedliche Ergebnisse.
Rz. 101
Es ist nicht erforderlich, dass die Forderung bei der Antragstellung nach Bestand, Umfang und Fälligkeit rechtlich bereits konkretisiert ist. Auch eine Beschränkung darauf, dass nur diejenigen Verbindlichkeiten als Schulden zu berücksichtigen sind, mit deren Geltendmachung gerade im Bewilligungszeitraum ernstlich zu rechnen ist, ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen:
Zitat
"Eine gegen den Auszubildenden nach zivilrechtlichen Grundsätzen bestehende Forderung verliert ihren Charakter als Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht dadurch, dass sie von dem Gläubiger voraussichtlich nicht während des konkreten Bewilligungszeitraums, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht wird."