Rz. 154

Ein Globalverzicht ist nicht als solcher unwirksam, es entscheidet immer der Einzelfall.[114]

 

Merke!

Es ist daher immer darauf zu achten, die für die Mandantschaft streitenden Einzelfallumstände

im Mandantengespräch zu erfassen
im Schriftsatz vorzutragen und
unter Beweis zu stellen.
 

Rz. 155

Der Ausschluss des Kindesbetreuungsunterhalts ab dem 6. Lebensjahr des Kindes ist nicht zwingend sittenwidrig. Es entscheiden die Umstände des Einzelfalls.[115]

Erkrankt ein Ehegatte nach Vertragsschluss, kann die Berufung des anderen Ehegatten auf den Ausschluss von nachehelichem Unterhalt und Versorgungsausgleich gegen § 242 BGB verstoßen (Ausübungskontrolle).[116]

 

Rz. 156

Zitat

"Bei einer Unterhaltsvereinbarung in einem Ehevertrag kann auch auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ehegatten eine Unterlegenheitsposition vorgelegen haben,[117] so dass im Rahmen einer Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle auch zu prüfen ist, ob sich nach der Vertragsgestaltung eine evident einseitige Lastenverteilung zum Nachteil des unterhaltspflichtigen Ehegatten ergibt."

Die Verpflichtung eines Ehegattens, 61 % seines Nettoeinkommens als Ehegattenunterhalt zu zahlen, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.[118]

Zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs liegen zahlreiche Entscheidungen vor (siehe Rechtsprechungsregister im Anhang § 16 Rdn 5 Stichwort "Versorgungsausgleich").

Ein kompensationslos vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nichtig, wenn die Ehegatten beim Vertragsabschluss bewusst in Kauf nehmen, dass die Ehefrau wegen Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheidet und bis auf weiteres keine über die Kindeserziehungszeiten hinaus gehenden Versorgungsanrechte erwerben wird.[119] Die Prüfung der Änderung der tatsächlichen Umstände erfolgt anhand des ursprünglichen gemeinsamen Versorgungskonzeptes.[120] Dieses ist unter Behauptung der hypothetischen im Vergleich zur tatsächlichen Erwerbsbiografie vorzutragen.[121]

 

Achtung!

In Fällen der Prüfung einer Versorgungsausgleichsklausel sollte daher unbedingt zu folgenden Umständen Vortrag gehalten werden:

ursprüngliches gemeinsames Versorgungskonzept
hypothetische Erwerbsbiografie
tatsächliche Erwerbsbiografie
sonstige Einfallumstände
 

Rz. 157

Hierzu zählen auch Kompensationsleistungen, wenn sie den Ausschluss des Versorgungsausgleichs abmildern.[122] Sie müssen jedoch annähernd gleichwertig sein,[123] was anhand des korrespondierenden Kapitalwerts (§ 47 VersAusglG) geprüft werden kann.

Beruht die heutige Versorgungslage der Ehefrau darauf, dass sie sich nicht beruflich fortentwickelt hat und nicht wirtschaftlich unabhängig geworden ist, kann sich der Ehemann möglicherweise auf eine vertragliche Ausschlussklausel berufen.[124]

 

Rz. 158

Auch der einseitige Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann wirksam sein.[125] Hier wird man jedoch im Einzelfall zu prüfen haben, unter welchen Umständen der Vertrag geschlossen wurde, nämlich ganz allgemein zur haftungsmäßig günstigen Organisation des Familienvermögens oder erst bei drohender oder bereits eingetretener Insolvenz.[126]

 

Rz. 159

Sittenwidrig ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs, wenn er unter Ausbeutung einer Zwangslage der willensschwachen Ehefrau erfolgte und sich der Ehemann zusätzlich hat Vermögensvorteile versprechen lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den der Ehefrau verbleibenden Vorteilen stehen.[127]

Nur weil die Ehegatten Gütertrennung vereinbart haben, kann der Versorgungsausgleich nicht nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen werden.[128]

Der Ausschluss von Alters- und Krankheitsunterhalt steht zwar im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts, wird der Inhaltskontrolle des § 138 BGB aber in der Regel standhalten, weil die näheren Umstände der späteren Bedürftigkeit bei Vertragsabschluss noch nicht absehbar sind.[129]

 

Rz. 160

Nach einer Entscheidung des OLG Koblenz soll ein Ehevertrag nicht sittenwidrig sein, der in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung geschlossen worden ist.[130]

 

Rz. 161

Hinsichtlich der umfangreichen Kasuistik, die auch Fallgruppen wie Schwangerschaft, Ausländer usw. umfasst, ist auch hier auf das Rechtsprechungsregister im Anhang zu verweisen (§ 16 Rdn 5).

[114] BGH FamRZ 2010, 1154; OLG Hamm FamFT 2011, 381; FamRZ 2012, 232.
[117] Vgl. auch BGH FamRZ 2009, 198.
[118] OLG Hamm, Urt. v. 23.12.2009 – 8 UF 85/09, juris.
[121] BGH FamRZ 2014, 1978.
[123] OLG München FamRZ 2003, 370.
[124] OLG Hamm FamRZ 2014, 1635.
[125] OLG Hamm FamRZ 2016, 818.
[126] BGHZ 142, 137, 148; BGH FamRZ 1989, 599; 1990, 600, 601; 1997, 933; OLG Brandenburg, Urt. v. 17.12.2008 – 13 U 17/08; OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 945; NJW-RR 2003, 1513; OLG Hamm FamRZ 2001, 1075; OLG Hamm, Urt. v. 21.9.2010 – I-25 U 58/08, juris; OLG Hamm, Urt. v. 12.10.2010 – 25 U 58/08, juris.
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