Rz. 85

Der Bundesgerichtshof leitete seine Rechtsprechung aus der grundgesetzlich verbürgten Vertragsfreiheit bzw. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab und argumentierte daher unmittelbar verfassungsrechtlich.[49] Dies führte zur Feststellung, dass, wer von der Ehevertragsfreiheit Gebrauch macht, grundsätzlich kein sittenwidriges Rechtsgeschäft abschließt. Somit hielten vom Bundesgerichtshof geprüfte Verträge der Inhaltskontrolle stand. Entschieden wurde wie folgt:

 

Rz. 86

Nicht sittenwidrig sei ein Unterhaltsverzicht incl. Verzicht auf Betreuungsunterhalt.[50] Der nacheheliche Unterhalt stehe nicht in einem Kernbereich der Ehe, der verfassungsrechtlich geschützt wäre oder auch nur durch § 1353 Abs. 1 BGB.[51]
Auch der Versorgungsausgleich sei verzichtbar.[52]
Es sei unschädlich, wenn ein Ehegatte den Vertrag im Bestreben schließe, sich von sämtlichen nachteiligen Folgen einer Scheidung frei zu zeichnen.[53]
Ein Globalverzicht war auch dann nicht unwirksam, wenn ein Ehegatte in einer Ehekrise den Versuch, die Ehe fortzusetzen, vom Abschluss des Ehevertrags abhängig machte[54] (Zwangslage).
Auch könne der Mann die Eheschließung mit der schwangeren Frau vom Abschluss des Ehevertrages abhängig machen[55] (Zwangslage).

All dies führte nach alter BGH-Rechtsprechung nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrages.

 

Rz. 87

Das wichtige Korrektiv war vielmehr die Ausübungskontrolle, von welcher der Bundesgerichtshof wie folgt Gebrauch machte:

Auf den – nicht sittenwidrigen – Unterhaltsausschluss durfte sich der durch den Vertrag Begünstige nicht berufen, wenn sich daraus nachteilige Folgen für gemeinsame Kinder ergeben würden, die letztlich unter dem Unterhaltsverzicht zu leiden hätten. Deren schutzwürdige Interessen könnten die Interessen des begünstigten Ehegatten überwiegen.[56] Dies wurde zunächst mit einer späteren, nachvertraglichen Entwicklung, sprich: der Geburt von Kindern nach Vertragsabschluss, begründet,[57] später aber allgemein erweitert.[58]

 

Rz. 88

Der Unterhaltsverzicht, so der Bundesgerichtshof damals, bleibe in solchen Fällen durchaus wirksam. Der benachteiligte Ehegatte habe seinen Unterhaltsanspruch also durchaus grundsätzlich verloren. Die besonderen Umstände (überwiegende Interessen der Kinder) bewirkten vielmehr eine entsprechende Korrektur der Unterhaltspflicht als Ausnahmefall.

[49] BGH FamRZ 1984, 787;1991, 306.
[50] BGH FamRZ 1984, 787;
[51] BGH FamRZ 1985, 788.
[52] BGH FamRZ 1996, 1536.
[53] BGH FamRZ 1991, 306.
[54] BGH FamRZ 1997, 156.
[55] BGH FamRZ 1997, 156.
[56] BGH FamRZ 1987, 46.
[57] BGH FamRZ 1991, 306.
[58] BGH FamRZ 1995, 291; BGH FamRZ 1997, 156.

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