Dr. iur. Stephanie Herzog
1. Konfusion: § 1976 BGB
Rz. 73
Mit der Universalsukzession erlöschen Rechte bzw. Ansprüche und Verbindlichkeiten, die bisher zwischen Erblasser und Erben gegenseitig bestanden haben, grundsätzlich durch Konfusion bzw. Konsolidation. Gemäß § 1976 BGB leben die Ansprüche wieder auf, wenn durch Nachlassinsolvenz bzw. Nachlassverwaltung erneut die beiden Vermögensmassen wieder voneinander unterschieden werden.
Rz. 74
Sie gelten erga omnes mit Rückwirkung auf den Erbfall als weiterhin bestehend.
Hinweis
Der Erbe kann und muss also seine als nicht erloschen geltende Forderung dem Verwalter gegenüber geltend machen; diesbezügliche Sicherungsrechte bestehen fort (Aufhebung der Konsolidation). Umgekehrt schuldet der Erbe dem Nachlass etwas, wie er zuvor dem Erblasser etwas geschuldet hat, was der Verwalter geltend machen wird.
Rz. 75
Hielten Erblasser und Erbe je einen z.B. hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, so können die Nachlassgläubiger wegen § 1976 BGB sich nur aus dem Miteigentumsanteil, der in den Nachlass fällt, befriedigen.
Die erneut eingetretene Vermögenssonderung lässt darüber hinaus nach h.M. eine Neubegründung von Ansprüchen zwischen Eigenvermögen und Nachlass zu. Dies gilt zumindest, wenn der Verwalter mit dem Erben Rechtsgeschäfte abschließt.
Verfügungen, die gemäß § 185 Abs. 2 BGB wirksam geworden sind (sog. Konvaleszenz), bleiben von § 1976 BGB unberührt.
2. Aufrechnung: §§ 1977 Abs. 2, 2040 Abs. 2 BGB
Rz. 76
a) Eine Aufrechnung setzt Gegenseitigkeit der Forderungen voraus, § 387 BGB. Diese Gegenseitigkeit wird über §§ 1922, 1967 BGB beim Alleinerben derart herbeigeführt, dass Eigengläubiger gegen eine Nachlassforderung und Nachlassgläubiger gegen eine Eigenforderung des Erben aufrechnen können.
Hinweis
Bei Miterben ist dies aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit des Nachlasses anders: Gemäß § 2040 Abs. 2 BGB kann der Schuldner gegen eine zum Nachlass gehörende Forderung nicht eine ihm gegen einen einzelnen Miterben zustehende Forderung aufrechnen.
Rz. 77
Nach der nachträglich erneut herbeigeführten Vermögenssonderung durch Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz ist Gegenseitigkeit aber nur zwischen Ansprüchen des Nachlasses gegen den Nachlassgläubiger und Gegenansprüchen des Nachlassgläubigers gegen den Nachlass, bzw. bei Ansprüchen des Erben gegen einen Eigengläubiger und Gegenansprüchen des Eigengläubigers gegen den Erben der Fall. § 1977 BGB erklärt daher die "gekreuzte" Aufrechnung von Nachlassforderung und Eigenschuld bzw. Nachlassschuld und Eigenforderung rückwirkend für unwirksam. Die Norm vervollständigt daher die Separation der Vermögensmassen und verhindert, dass die verschiedenen Gläubigergruppen aus der falschen Vermögensmasse befriedigt werden:
Rz. 78
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§ 1977 Abs. 1 BGB schließt zum Schutz des Erben die Befriedigung eines Nachlassgläubigers aus dem Eigenvermögen aus, indem die Norm Aufrechnungen des Nachlassgläubigers gegen Eigenforderungen des Erben ohne dessen Zustimmung für unwirksam erklärt. |
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§ 1977 Abs. 2 BGB schließt zum Schutz der Nachlassgläubiger die Befriedigung eines Eigengläubigers aus dem Nachlass aus. |
Damit den Gläubigern, die sich auf die Erfüllungswirkung der Aufrechnung gemäß § 389 BGB verlassen haben, keine Nachteile durch Verjährung drohen, wendet die h.M. § 205 BGB analog an.
Rz. 79
b) Erfasst sind Aufrechnungserklärungen seit dem Erbfall bis zur Eröffnung von Nachlassverwaltung bzw. Nachlassinsolvenz.
Hinweis
Im Rahmen von § 1990 BGB gilt § 1977 BGB so nicht, es entsteht aber letztlich eine ähnliche Rechtslage.
Rz. 80
Für Aufrechnungen nach erfolgter Vermögensseparation bedarf es der Fiktion des § 1977 BGB nicht; hier kann gegen den Verwalter nur mit Forderung und Schuld den Nachlass betreffend aufgerechnet werden, gegen den Erben nur betreffend Forderung und Schuld des Eigenvermögens.