Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 26
Mit der Anordnung der Nachlassverwaltung wird dem oder den Erben (auch dem unbeschränkt haftenden und auch dem Testamentsvollstrecker) die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über den Nachlass ex nunc genommen, § 1984 Abs. 1 S. 1 BGB, und die Vermögensmassen Nachlass und Eigenvermögen wieder voneinander getrennt, indem der Nachlassverwalter den Nachlass – mit Ausnahme der unpfändbaren und höchstpersönlichen Gegenstände ohne Verkehrswert – herausverlangt (Umkehrschluss aus § 1986 BGB) und ggf. Rechte aus §§ 1976 ff. BGB geltend macht (siehe näher unten Rdn 82).
Rz. 27
Die Nachlassverwaltung ist eine besondere Form der Nachlasspflegschaft, weshalb die Vorschriften über die Nachlasspflegschaft subsidiär Anwendung finden. Das in § 1812 BGB für bestimmte Verfügungen vorgesehene Genehmigungserfordernis besteht bei der Nachlassverwaltung aber nicht.
Da die Nachlassverwaltung zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger angeordnet wird, ist sie in ihrem Ziel der Nachlassinsolvenz ähnlich, vgl. auch § 1984 BGB mit Verweis auf die InsO.
Rz. 28
Der Nachlassverwalter untersteht aber der Aufsicht des Nachlassgerichts, §§ 1975, 1961, 1962, 1915, 1837 Abs. 1 BGB, und ist dem Nachlassgericht – und nicht wie der Insolvenzverwalter den Gläubigern – berichtspflichtig, §§ 1835, 1813 BGB. Das Nachlassgericht ist es auch, das den Nachlassverwalter gemäß § 1886 BGB bei Interessengefährdung ohne verschuldeten Pflichtenverstoß entlassen kann. Der Nachlassverwalter erstellt ein Nachlassverzeichnis, das er dem Nachlassgericht einzureichen hat, §§ 1984 Abs. 1 S. 1, 1985 Abs. 1 BGB (zur Inventarerrichtung kann ihm nach § 2012 BGB keine Frist gesetzt werden). Er muss sowohl dem Nachlassgericht als auch dem Erben jährlich Rechnung legen, § 1872 BGB.
Rz. 29
Der Nachlassverwalter muss beide Interessen wahren – die der Erben und die der Gläubiger:
▪ |
Der Nachlassverwalter macht sich gegenüber dem Erben bei schuldhaften Pflichtverletzungen nach §§ 1985 Abs. 1 S. 1, 1975, 1813 Abs. 1, 1794 BGB schadensersatzpflichtig, wobei das Verschulden – anders als nach allgemeinem Schuldrecht (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht vermutet wird. Nach § 2012 Abs. 1 und 2 BGB muss er Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass wahrnehmen, d.h. er muss die aufschiebenden Einreden der §§ 2014, 2015 BGB, sowie die Einreden der §§ 1973 f. BGB durch Durchführung eines Aufgebotsverfahrens (zu seinem Antragsrecht siehe § 455 Abs. 2 FamFG) möglich und geltend machen. Hinweis§ 1990 BGB kann er nicht geltend machen (siehe näher unten Rdn 33). |
▪ |
Außerdem ist der Nachlassverwalter den Nachlassgläubigern für die Verwaltung des Nachlasses verantwortlich, § 1985 Abs. 2 S. 1 BGB und haftet ihnen wie den Erben mit seinem eigenen Vermögen (schon deshalb ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung angeraten). Er muss den Nachlassgläubigern Auskunft über den Bestand der Erbschaft durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses gewähren. Bei Pflichtverletzungen ist er nach §§ 1985 Abs. 2, 1978, 1979, 1980 Abs. 1 S. 2 BGB verantwortlich. Die Ansprüche gelten als zum Nachlass gehörig, § 1985 Abs. 2 S. 2 BGB und können deshalb vom (nachfolgenden) Nachlassverwalter oder vom Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die Ansprüche verjähren seit 1.1.2010 in drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB. |
Rz. 30
Die Kernaufgabe des Nachlassverwalters liegt darin, die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen (§§ 1985 Abs. 1 Hs. 2, 1986 Abs. 1 BGB) und zwar für Rechnung des Nachlasses.
Hinweis
Bei der Nachlassverwaltung kommt es also – anders als bei der Nachlassinsolvenz – i.d.R. zu einer vollständigen Befriedigung, da ansonsten Insolvenzantrag gestellt werden müsste. Das Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes hindert aber nicht die Anordnung der Nachlassverwaltung, sondern führt nur dazu, dass der Nachlassverwalter unverzüglich Insolvenzantrag stellen muss.
Rz. 31
Dies darf aber nur geschehen, wenn er davon ausgehen durfte, dass der Nachlass für alle reicht, sonst macht sich der Nachlassverwalter schadensersatzpflichtig nach §§ 1979, 1985 Abs. 2, 1980 Abs. 1 S. 2 BGB.
Rz. 32
Der Nachlassinsolvenzverwalter muss daher grundsätzlich neben der Inventarisierung ein Aufgebotsverfahren durchführen, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass ihm nicht bekannte Nachlassverbindlichkeiten bestehen. Zeigt sich hierbei, dass der Nachlass überschuldet ist oder zahlungsunfähig, muss der Nachlassverwalter nach §§ 1985 Abs. 2, 1980 Abs. 1 S. 1 BGB, § 317 Abs. 1 InsO Insolvenzantrag stellen, sonst macht er sich den Gläubigern, die einen Quotenschaden erleiden, gegenüber schadensersatzpflichtig.
Rz. 33
Aber auch dem Erben haftet er; denn das Insolvenzverfahren ist der richtige Weg, wenn der Nachlass dürftig ist, da sich der Nachlassverwalte...