I. Grundsätze
Rz. 16
Bereits in Vollzeitarbeitsverhältnissen ist die Anzeige der Aufnahme einer Nebentätigkeit Gegenstand einer allgemeinen vertraglichen Pflicht des Arbeitnehmers. Im Arbeitsverhältnis besteht nach § 242 BGB ein Auskunftsanspruch, soweit der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann. Da es schon allein wegen der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes niemals ausgeschlossen ist, dass schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden könnten, hat der Arbeitgeber ein Informationsrecht. Dieses beeinträchtigt insbesondere auch nicht die Privatsphäre des Arbeitnehmers unangemessen.
Rz. 17
Aus denselben Gründen sind auch arbeitsvertragliche Klauseln, die eine bloße Anzeigepflicht vorsehen, unbedenklich. Auch das BAG hat die Wirksamkeit solcher Klauseln anerkannt.
Rz. 18
Bei Arbeitsverhältnissen, in denen eine Nebenbeschäftigung die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge beeinträchtigen kann, besteht nicht nur stets ein Interesse des Arbeitgebers an der Mitteilung. In § 28o Abs. 1 SGB IV ist vielmehr ein positiver Anspruch des Arbeitgebers auf entsprechende Mitteilung enthalten. Hiervon sind selbstverständlich auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse erfasst.
II. Rechtsfolgen unterlassener Anzeigen
Rz. 19
Unterlässt der Arbeitnehmer die Anzeige einer Nebentätigkeit, ist zunächst danach zu unterscheiden, ob hieraus ein Schaden resultiert oder nicht. Ändert sich durch die Nebenbeschäftigung nichts an der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge und tritt keine arbeitszeitrechtliche Sanktion gegen den Arbeitgeber ein, kann die Anzeigepflicht als arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß allenfalls Anknüpfungspunkt arbeitsrechtlicher Sanktionen sein (vgl. Rdn 36 ff.).
Rz. 20
Entsteht dem Arbeitgeber jedoch durch das Unterlassen der Anzeige ein materieller Schaden, stellt sich die Frage des Schadensersatzanspruches. Ein solcher materieller Schaden kann entstehen, wenn bei einer geringfügigen Beschäftigung deren Voraussetzungen in Folge der Nebentätigkeit wegfallen. In diesem Fall wird das Arbeitsverhältnis insgesamt sozialversicherungspflichtig. Hieraus resultiert dann die Pflicht des Arbeitgebers nach § 28g SGB IV, den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung vom Gehalt einzuhalten. Weiterhin resultiert auch eine Pflicht des Arbeitgebers, seinerseits Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung abzuführen. Da für geringfügig Beschäftigte Pauschalbeiträge an die Minijob-Zentrale gezahlt werden, für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer aber prozentuale Beiträge an die als Einzugsstellen zuständigen Krankenkassen und die Beitragshöhen darüber hinaus differieren, sind die sozialversicherungspflichtigen Pflichten des Arbeitgebers nicht unabhängig von Status des Arbeitnehmers erfüllt.
Rz. 21
Ein materieller Schaden kann dem Arbeitgeber auch im sozialversicherungspflichtigen Einstiegsbereich entstehen. Da in der früheren Gleitzone die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht nach dem tatsächlichen Gehalt, sondern nach einer errechneten Beitragsbemessungsgrundlage bemessen werden, kann es auch insoweit vorkommen, dass der Arbeitgeber geringere Arbeitnehmerbeiträge einbehält, als dies unter Hinzurechnung der Einkünfte aus der Nebentätigkeit richtig gewesen wäre.
1. Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung
Rz. 22
Dass die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung eine Schadensposition sein können, wird bestritten. Argumentiert wird damit, dass der Arbeitgeber die Arbeitgeberanteile auch bei rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigepflicht hätte tragen müssen. Deshalb mangele es an der notwendigen Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Hierbei wird übersehen, dass zwar der Arbeitgeber den Umstand der Sozialversicherungsfreiheit nicht zur Geschäftsgrundlage des Arbeitsvertrages machen kann, er aber sehr wohl die Freiheit hat, einen Arbeitnehmer, den er aufgrund einer existenten Nebenbeschäftigung nicht geringfügig beschäftigen kann, nicht einzustellen. Rein rechtsdogmatisch muss der Arbeitgeber somit argumentieren können, dass er das Arbeitsverhältnis ohne den Verstoß gegen § 28o SGB IV gar nicht begründet hätte.
Rz. 23
Unzutreffend ist es auch, wenn das BAG den Arbeitgeber mit der Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität der Pflichtverletzung belastet. Denn richtigerweise ist bei einer Verletzung von Aufklärungspflichten eine Beweislastumkehr vorzunehmen, so dass der Arbeitnehmer zu beweisen hat, dass der Schaden auch bei erfolgter Information eingetreten wäre.
Rz. 24
Ungeachtet dieser rechtsdogmatischen Seite der Problematik wird aber gleichwohl in aller Regel kein ersatzfähiger Schaden entstanden sein. Denn unzweifelhaft, weil ja Argumentationsgrundlage, wird jedenfalls die Bereitschaft des Arbeitgebers sein, eine geringfügige Beschäftigung zu begründen. Da die pauschalen Beiträge für die geringfügige Be...