Rz. 41
§ 130 InsO ist die Parallelvorschrift zu § 131 InsO und regelt die Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen, mithin von Befriedigungen oder Sicherungen, auf die der Gläubiger einen im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bestehenden und unanfechtbaren Anspruch hatte. Anfechtbar ist nach dieser Vorschrift eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
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wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder |
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wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. |
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 KWG zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).
Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138 InsO), wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Rz. 42
Nach § 130 InsO sind also Rechtshandlungen anfechtbar, welche bis zu drei Monate (Anm.: Fristberechnung nach § 139 InsO) vor der Insolvenzantragstellung (Anm.: nicht der Eröffnung; Letztere ist irrelevant) vorgenommen wurden. Zur Erfüllung des Tatbestandes müssen neben den in § 130 InsO aufgeführten Merkmalen auch die allgemeinen Voraussetzungen des § 129 InsO erfüllt sein. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich der erste zulässige und begründete Antrag, der zu der Insolvenzeröffnung führt, § 139 Abs. 2 InsO. Anfechtungsgegner sind die jeweiligen Insolvenzgläubiger (die das recht erlangt haben) oder daneben auch (zusätzlich) schuldrechtlich gesicherte Absonderungsgläubiger.
Rz. 43
Zur Zahlungsunfähigkeit gilt die oben genannte Definition. Daneben enthält § 17 Abs. 2 auch eine gesetzliche Legaldefinition, wonach der Schuldner zahlungsunfähig ist, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Der Zeitpunkt der Fälligkeit ist i.d.R. dann anzunehmen, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt, also dann, wenn die Forderung "ernstlich" (Anm.: und berechtigt) z.B. durch eine Rechnung eingefordert wird. Gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO wird die Zahlungsunfähigkeit bei einer (unberechtigten) Zahlungseinstellung des Schuldners vermutet. Neben der Zahlungsunfähigkeit und der Einhaltung der Fristen bedarf es zudem einer subjektiven Kenntnis des Anfechtungsgegners der Zahlungsunfähigkeit bzw. des Eröffnungsantrags. Dabei sind nicht nur "positive" Kenntnisse von Relevanz. Aufgrund der Beweiserleichterung in § 130 Abs. 2 InsO reicht auch die Kenntnis von Umständen, die zwingend Rückschluss auf Zahlungsunfähigkeit zulassen. Zudem besteht gem. §§ 130 Abs. 3, 138 InsO eine gesetzliche Fiktion bei nahestehenden Personen. Die "Kenntnis" von Umständen ist dabei "objektiv" zu bewerten. Eine falsche Interpretation durch den Gläubiger ist unerheblich.