Rz. 27
Eine der grundlegenden Aufgaben des Insolvenzrechts und der Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist es, eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung zu erreichen. Dies wird im Insolvenzverfahren beispielsweise dadurch sichergestellt, dass Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger gemäß §§ 80–82, 89, 91 sowie 96 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO unwirksam sind. Die Regelungen der Insolvenzanfechtung (zur Insolvenzanfechtung siehe auch § 7 Rdn 4 ff.) bieten nach den §§ 129 ff. InsO die Möglichkeit, vor der Insolvenzeröffnung bzw. vor der Insolvenzantragstellung vorgenommene Vermögensverschiebungen zu Lasten des Schuldnervermögens rückgängig zu machen und somit den Bestand des der Gläubigergesamtheit als Haftungsmasse zur Verfügung stehenden Schuldnervermögens wiederherzustellen. Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden – so sieht es das Gesetz in § 143 InsO. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend.
Rz. 28
Die Insolvenzanfechtung dient dem Zweck, über die erst ab Insolvenzeröffnung eingreifenden Regelungen der §§ 80 ff. InsO hinaus, bereits im zeitlichen Vorfeld der Insolvenzeröffnung eine Verkürzung der Aktivmasse wie auch eine Vermehrung der Passivmasse zu verhindern. Dieser Rückgewähranspruch entsteht unabhängig von seiner Geltendmachung mit Vollendung des Anfechtungstatbestandes, jedoch nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Insolvenzanfechtung ist ein scharfes Schwert, welches der Gesetzgeber dem Insolvenzverwalter an die Hand gegeben hat. Hierdurch wird es dem Insolvenzverwalter ermöglicht, in eigentlich massearmen bzw. masselosen Verfahren beachtliche Massezuflüsse zu generieren.
Rz. 29
Anfechtbar nach Maßgabe der §§ 129–146 InsO sind alle Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und welche die Insolvenzgläubiger benachteiligen (§ 129 Abs. 1 InsO). Zu den anfechtbaren Rechtshandlungen gehören Rechtsgeschäfte (Verträge, Vergleiche, Abtretungen, Verpfändung, Belastung von Grundstücken etc.), Prozesshandlungen (Klageverzicht, Anerkenntnis, Prozessvergleich) sowie geschäftsähnliche Handlungen und Realakte. Anfechtbar sind sowohl das Grund- als auch das Verfügungsgeschäft. Das Unterlassen steht einer Rechtshandlung gleich (§ 129 Abs. 2 InsO). Denn das Unterlassen kann die gleichen gläubigerbenachteiligenden Wirkungen haben wie die Rechtshandlung.
Muster zur Insolvenzanfechtung siehe § 7 Rdn 92.