I. Grundlagen und Muster
Rz. 145
Für die Ausgaben der Gemeinschaft und den Aufbau der Erhaltungsrücklage wird laufend Geld benötigt, das die Miteigentümer als Vorschüsse zur Verfügung stellen müssen. Der Finanzbedarf wird gem. § 28 Abs. 1 S. 2 WEG durch den (Gesamt-)Wirtschaftsplan ermittelt, den der Verwalter einmal im Jahr jeweils für ein Kalenderjahr aufstellen muss und über den Beschluss gefasst wird. Der Wirtschaftsplan enthält die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft sowie den Betrag, der den vorgesehenen Rücklagen (Erhaltungsrücklage und eventuelle Sonderrücklagen) zugeführt werden soll. Nach Ablauf des Wirtschaftsjahres wird abgerechnet. Statt der zunächst geschätzten werden die tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen zusammengestellt und den Vorschüssen nach dem Wirtschaftsplan gegenüber gestellt; das ist Gegenstand der Einzelabrechnungen. Wurde bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans gut kalkuliert, gibt es keine großen Nachzahlungen (Nachschüsse) oder Guthaben; hat der Verwalter sich verschätzt oder kamen unerwartete Ausgaben oder Einnahmen dazu, sind entsprechend hohe Differenzen die Folge.
Rz. 146
Aus dem Gesamtwirtschaftsplan werden die Einzelwirtschaftspläne abgeleitet. Darin werden die anteilsmäßigen Verpflichtungen ("Vorschüsse") der Wohnungseigentümer am Gesamtbetrag des Wirtschaftsplans ausgewiesen. Die Aufstellung eines gesonderten Gesamtwirtschaftsplans neben den Einzelwirtschaftsplänen ist unüblich und auch überflüssig, denn der Gesamtplan ist zwangsläufig in den Einzelwirtschaftsplänen enthalten. Das ist ein Unterschied gegenüber dem Verhältnis von der Gesamt- zur Einzeljahresabrechnung, denn letztere wird gerade nicht "1:1" aus der Gesamtabrechnung abgeleitet. Beschlossen wird im Rechtssinne aber nicht, wie nach altem Recht, der Wirtschaftsplan als solcher (das "Rechenwerk"), sondern nur die Vorschusspflicht. Der Wirtschaftsplan dient nur der Vorbereitung der Beschlussfassung. Als Folge dieses Konzepts kann ein Beschluss nicht allein mit der Begründung angefochten werden, der Wirtschaftsplan sei fehlerhaft; der Gesetzgeber will damit die Anfechtungsmöglichkeiten beschränken (näher → § 8 Rdn 120).
Rz. 147
Der Begriff der "Vorschüsse" ist irreführend. Ein Vorschuss ist eigentlich eine Anzahlung (synonym Abschlagszahlung) auf eine der Höhe nach noch nicht abschließend feststehende Rechnung; ein Vorschuss verliert grundsätzlich seine Bedeutung und Funktion als Anspruchsgrundlage, sobald die Rechnung (Zahlungspflicht) abschließend feststeht. Im WEG-Recht verhält es sich anders. Die Vorschüsse nach dem Wirtschaftsplan sind das zentrale Finanzierungsinstrument der Gemeinschaft. Sie werden durch die Jahresabrechnung nicht ersetzt und bleiben auch nach dem Vorliegen der Jahresabrechnung Anspruchsgrundlage. Die Jahresabrechnung stellt die Beitragspflicht für ein abgerechnetes Jahr deshalb nicht abschließend und verbindlich fest, sondern stellt nur eine "Korrektur (Anpassung) des Wirtschaftsplans" dar (→ § 8 Rdn 20). Hinter dieser vom BGH in den letzten Jahrzehnten entwickelten Dogmatik steht letztlich die Frage nach dem richtigen Umgang mit Hausgeldrückständen im Fall des Eigentümerwechsels. Man hätte die Fragen rund um den Eigentümerwechsel auch anderweitig lösen und das WEG-Rechnungswesen auf eine ganz andere dogmatische Grundlage stellen können (so die Aufteilungstheorie (→ § 8 Rdn 35). Aber der Gesetzgeber hat die vom BGH entwickelte Dogmatik dem jetzt geltenden Gesetz zugrunde gelegt. Damit sind unbestreitbare Vorteile verbunden; aber der Nachteil besteht darin, dass dem normalen "Rechtsunterworfenen", der die dogmatischen Hintergründe nicht kennt, das spezielle Zusammenspiel von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung nicht leicht begreiflich zu machen ist.
Rz. 148
Die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben sind im Wirtschaftsplan übersichtlich und gegliedert darzustellen; die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit sind dieselben wie bei der Jahresabrechnung. Mit den voraussichtlichen Einnahmen sind nicht die Vorschüsse (Hausgeldzahlungen) gemeint: Es ist gerade der Sinn des Wirtschaftsplans, den Vorschussbedarf zu ermitteln, sodass die voraussichtlichen bzw. erforderlichen Vorschusszahlungen nicht als erwartete Einnahmen ausgewiesen werden (müssen), sondern als Ergebnis des Wirtschaftsplans. Üblicherweise wird der Wirtschaftsplan als Fortschreibung der jeweils letzten Jahresabrechnung aufgestellt, wobei vorhersehbare Änderungen (Teuerungen, Sonderausgaben oder Sondereinnahmen) berücksichtigt werden. Bei der Prognose steht den Miteigentümern ein Ermessensspielraum zu. Wenn sie z.B. damit rechnen, dass einzelne Miteigentümer ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen werden, können sie die Ansätze des Wirtschaftsplans um eine entsprechende Liquiditätsreserve erhöhen. Wenn mit Rechtsstreitigkeiten zu rechnen ist, ist eine entsprechende Position "Rechtskosten" rechtmäßig. Generell kann die Gemeinschaft großzügig kalkulieren (mit der Folge, dass die Jahresabrechnung d...