1. Allgemeines
Rz. 105
Die Ansammlung einer angemessenen Erhaltungsrücklage (bis zur WEG-Reform 2020 "Instandhaltungsrückstellung") gehört gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung, auf die jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch hat (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG). Die in der Praxis übliche Kurzbezeichnung lautet seit eh und je "Rücklage". Der Zweck der Erhaltungsrücklage ist im Ausgangspunkt die Finanzierung künftiger Erhaltungsmaßnahmen; praktisch handelt es sich aber einfach um das Eigenkapital der Gemeinschaft. Informationen über die Rücklage erfolgen im Rahmen des Vermögensberichts (→ § 8 Rdn 137).
Rz. 106
Durch Beschluss können, wie sich aus § 28 Abs. 1 Nr. 1 WEG ergibt, Sonderrücklagen gebildet werden, was insbesondere für andere Zwecke als der Erhaltung in Betracht kommt (z.B. Heizöleinkäufe, gerichtliche Verfahren, allgemeine Liquidität → § 8 Rdn 113). Wenn die Teilungserklärung bestimmt, dass bestimmte Erhaltungskosten nicht von allen Miteigentümern, sondern nur von einzelnen zu tragen sind, müssen entsprechende separate Sonderrücklagen gebildet werden. Anwendungsfälle sind insbesondere Mehrhausanlagen mit Kostentrennung (→ § 12 Rdn 93) oder Regelungen zur separaten Kostentragung für Wohnungen einerseits und Garagen oder Tiefgaragenstellplätze andererseits. Sieht die Teilungserklärung zwar Sonderrücklagen, aber keine separate Kostentragung vor, könnte man zwar vermuten, dass eine separate Kostentragung beabsichtigt ist (weil sonst die Sonderrücklage keinen Sinn ergibt); trotzdem entschied die Rspr. gegenteilig: ohne ausdrückliche Kostentragungsregelung ist die Regelung zur Bildung der Sonderrücklage aufgrund des inneren Widerspruchs nichtig. Andererseits kommt es auch immer wieder vor, dass eine Gemeinschaft separate Rücklagen bildet, obwohl die Teilungserklärung keine separate Kostentragungspflicht (von Häusern, einzelnen Gruppen von Miteigentümern usw.) vorsieht. Nach dem alten Recht mussten derartige Sonderrücklagen (wenn die Gemeinschaft nach rechtlicher Beratung oder nach einem Gerichtsurteil deren Unzulässigkeit einsehen musste) aufgelöst werden. Nach jetzigen Recht hingegen können die Sonderrücklage legalisiert werden, anstatt sie aufzulösen: Es bedarf nur eines Beschlusses gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG, der die hausweise Verteilung von Erhaltungskosten vorsieht, und eines Beschlusses zur Bildung bzw. Fortführung entsprechender Erhaltungsrücklagen der einzelnen Häuser.
Rz. 107
Welche Höhe der Rücklage "angemessen" und wie viel ihr jährlich zuzuführen ist, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere vom Alter und der Art des Gebäudes. Man muss kalkulieren, welche Erhaltungskosten kurz-, mittel- und langfristig voraussichtlich anfallen werden. Immer wieder ist zu lesen, dass sich dafür "Anhaltspunkte" aus § 28 Abs. 2 der II. BerechnungsVO ergäben; nach dieser Vorschrift dürfen in der "Kostenmiete" bei öffentlich geförderten Wohnungen für die Instandhaltung je nach Alter des Gebäudes Beträge zwischen 7,10 EUR und 11,50 EUR pro qm jährlich angesetzt werden. Für die Kalkulation einer angemessenen Rücklage am konkreten Objekt sind diese Beträge aber unbrauchbar. Besser sind die in der Literatur kursierenden Berechnungsformeln wie bspw. die Peterssche Formel: Sie sieht auf 80 Jahre die Reinvestition des 1,5-fachen der Herstellungskosten des Gebäudes vor und kommt bei üblichen Wohngebäuden auf Beträge zwischen 1,50 bis 2,00 EUR pro qm monatlich bzw. 18,00 bis 24,00 EUR jährlich. Besonders überzeugend ist eine konkrete Berechnung, indem die Gemeinschaft einen "Sanierungsfahrplan" erstellen lässt, wofür es von der "Bundesförderung für Energieberatung für Wohngebäude" hohe Zuschüsse gibt. Wie auch immer die Gemeinschaft die Beiträge zur Rückstellung ermittelt: Sie hat dabei einen weiten Ermessensspielraum; nur unvertretbar hohe Zuführungen zur Rücklage führen zur Anfechtbarkeit des Wirtschaftsplan-Beschlusses. Der Ermessensspielraum wird in der Praxis freilich meistens nicht bewusst ausgeübt; vielmehr folgt die Gemeinschaft typischerweise unhinterfragt dem Vorschlag des Verwalters, der regelmäßig nicht auf einer konkreten Kalkulation, sondern bestenfalls auf Erfahrung beruht. Fast immer wird mit Rücksicht auf das menschliche Bedürfnis der Eigentümer, ihr Geld lieber bei sich zu behalten als es wegzugeben, viel zu wenig angespart mit der Folge, dass später nicht genug Geld für notwendige Maßnahmen vorhanden ist.
Rz. 108
Die Zuführungen zu den Rücklagen werden im Rahmen des Wirtschaftsplanes beschlossen (§ 28 Abs. 1 WEG). Rücklagen sollen, wenn möglich, verzinslich angelegt werden, wofür meistens ein Festgeldkonto gewählt wird. Weil derzeit aber auch auf einem Festgeldkonto keine Zinsen erwirtschaftet werden können, kann die Rücklage auch auf dem "allgemeinen" Bankkonto der Gemeinschaft verbleiben. Es ist nämlich nicht etwa so, dass eine Rücklage mit dem Betrag gleichzusetzen wäre, der sich auf einem für die Rücklage bestimmten (Festgeld-)Konto befindet. Die Eigenschaft von Geldbeständen als "Rück...