Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
Rz. 36
Auch wenn sowohl Kostenvoranschläge als auch Sachverständigengutachten grundsätzlich verlässliche Aussagen über die Höhe des auszugleichenden Sachschadens treffen, sind in bestimmten Fallkonstellationen Abzüge daran vorzunehmen. Das Problem betrifft zunächst die der fiktiven Abrechnung zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze.
a) Übersicht
Rz. 37
Hinreichend geklärt ist jetzt durch zahlreiche Urteile, ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall von der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung auf die Reparatur in einer von dieser ausgewählten nicht markengebundenen Fachwerkstatt mit der Begründung verweisen lassen muss, diese Werkstatt könne die erforderlichen Reparaturarbeiten zu einem günstigeren Stundensatz mit der gleichen gebotenen Qualität durchführen, wie sie eine markengebundene Fachwerkstatt anbietet. Üblicherweise erfolgt hierbei ein Hinweisschreiben der Versicherung, mit welchem dem Geschädigten eine oder mehrere Fachwerkstätten angezeigt werden, die (angeblich) das betroffene Fahrzeug zu günstigeren Stundensätzen reparieren können, einen kostenlosen Hol- und Bringservice anbieten und bei der Reparatur als Meisterbetrieb Originalersatzteile und Beachtung der Herstellerrichtlinien mit einer branchenüblichen Garantie verwenden.
Rz. 38
Der BGH hat zu diesem Themenkomplex bisher mehrere Grundsatzentscheidungen getroffen. In dem sog. "Porsche-Urteil" hat er ausgeführt, dass der Geschädigte sich grundsätzlich nicht auf einen abstrakten günstigeren Stundensatz aller Fachwerkstätten in einer Region verweisen lassen muss, sondern als Herr des Restitutionsgeschehens nach den in einem Gutachten ausgewiesenen Stundenlöhnen einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen kann. Allerdings hat der BGH in diesem Urteil auch darauf hingewiesen, dass der Geschädigte sich auf eine ohne weiteres zugängliche gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss, wenn es sich um eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit handelt, die für ihn ohne weiteres erreichbar ist.
Hinweis
Die Verweisung ist auch statthaft, wenn der Geschädigte von sich aus schon günstigere Stundensätze einer nicht markenbezogenen Fachwerkstatt auswählt oder gar auf die durchschnittlichen regionalen Stundensätze abstellt, da ihn in jedem Fall die Pflicht trifft, sich auf einen noch günstigeren Betrieb bei einer fiktiven Abrechnung verweisen zu lassen.
Rz. 39
Der BGH hat diese Möglichkeit des Verweises des Geschädigten auf eine konkret benannte alternative Reparaturmöglichkeit nunmehr in mehreren Entscheidungen bestätigt und die hierfür erforderlichen Voraussetzungen konkretisiert.
b) Gleiche Qualität und Zumutbarkeit der Reparatur
Rz. 40
Die als Alternative benannte Fachwerkstatt muss die erforderlichen Reparaturarbeiten mit der gleichen Qualität wie eine markengebundene Fachwerkstatt durchführen. Der Geschädigte muss nicht das Risiko eingehen, eine minderwertige Reparatur zu erfahren und ihm muss eine solche Reparatur zumutbar sein. Hierbei ist wie folgt zu unterscheiden:
aa) Fahrzeuge bis 3 Jahre
Rz. 41
Ist das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht älter als 3 Jahre, so ist eine Reparatur in einer anderen als einer markengebundenen Fachwerkstatt für den Geschädigten in der Regel selbst dann nicht zumutbar, wenn die Reparatur technisch gleichwertig ist. Der Geschädigte muss sich nicht auf eine Reparatur verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten würde.
Rz. 42
Muster 8.7: Unzulässige Verweisung auf eine andere Reparaturmöglichkeit bei jungem Fahrzeug
Muster 8.7: Unzulässige Verweisung auf eine andere Reparaturmöglichkeit bei "jungem" Fahrzeug
Vorliegend sind die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, so wie sie dem vorgelegten Gutachten zugrunde gelegt worden sind, in Ansatz zu bringen. Das Fahrzeug meiner Mandantschaft ist am _________________________ zugelassen worden und war zum Unfallzeitpunkt erst _________________________ Jahre alt. Die Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit ist meiner Mandantschaft vor diesem Hintergrund nicht zuzumuten, da die Gefahr besteht dass bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten auftreten können (BGH, Urt. v. 28.4.2015 – VI ZR 267/14 = NJW 2015, 2110; BGH, Urt. v. 20.10.2009...