Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
a) Übersicht
Rz. 351
Für alle sonstigen Kraftfahrzeuge kann der durch den Ausfall verursachte Schaden nicht derart konkret beziffert werden. Seit dem Urteil des III. Zivilsenats des BGH vom 30.9.1963 ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass derjenige, der Ersatz für die Beschädigung eines Kraftfahrzeugs zu leisten hat, grundsätzlich auch verpflichtet ist, dem Geschädigten Geldersatz für den Nutzungsausfall des Kraftfahrzeugs zu leisten, wenn dieser auf die Inanspruchnahme eines Ersatzfahrzeugs verzichtet und insoweit keine Mittel zur Vermeidung oder Minderung des Schadens aufgewandt hat.
Als allgemeiner Grundsatz bleibt ist also festzustellen, dass eine Pauschalierung des Nutzungsausfallschadens nur demjenigen zusteht, der nicht dazu in der Lage ist, den durch den Ausfall verursachten Schaden konkret zu beziffern. Bei einer gewerbsmäßigen Nutzung ist dagegen für eine abstrakte Berechnung i.d.R. kein Raum.
Rz. 352
Theoretisch billigt die höchstrichterliche Rechtsprechung eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung für den Ausfall jeder Sache zu. Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung auch in anderen Fällen als bei Kraftfahrzeugschäden der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit des beschädigten Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Es bedarf stets einer Abwägung im Einzelfall, ob nach der Verkehrsauffassung die Benutzbarkeit einer Sache als selbstständiger Vermögenswert neben ihrem Substanzwert angesehen wird und damit ihre Beeinträchtigung einen Vermögensschaden darstellt. Voraussetzung ist weiter, dass der Geschädigte derart auf die Sache und deren ständige Verfügbarkeit angewiesen ist, dass der zeitweise Verlust der Möglichkeit des Gebrauchs dieser Sache infolge eines deliktischen Eingriffs einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellt. Aus diesem Grundsatz folgt zunächst, dass eine Nutzungsausfallentschädigung nicht für den Ausfall jedes x-beliebigen Gegenstandes geltend gemacht werden kann. Die Rechtsprechung lehnte eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung deshalb ab z.B. für den Verzicht auf
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einen Pelzmantel, |
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ein Schwimmbad, |
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ein Motorboot und |
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ein Navigationsgerät, |
da es sich hierbei jeweils nicht um "ein für die Lebenshaltung zentrales Gut" handelt. Bejaht wurde die pauschale Nutzungsausfallentschädigung neben Kraftfahrzeugen auch für
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selbstgenutzte Wohnhäuser und |
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Küchen. |
Rz. 353
Ob eine Nutzungsausfallentschädigung bei Beschädigung eines Fahrrades verlangt werden kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Richtigerweise ist auch für Fahrräder eine Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen. Denn der Große Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass ein Nutzungsausfall dann als ein zu ersetzender Vermögensschaden anzusehen ist, wenn es sich um einen Gegenstand handelt, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist es sachgerecht anzunehmen, dass auch der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrrades als ersatzfähiger Vermögensschaden anzusehen ist, wenn Fahrräder etwa regelmäßig für den Weg zur Arbeit genutzt werden. In diesen Fällen ist die Voraussetzung, dass der Berechtigte auf die ständige Verfügbarkeit typischerweise angewiesen ist, grundsätzlich erfüllt. Der Geschädigte kann für die Dauer der Wiederbeschaffungszeit eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe der Kosten für ein Mietfahrrad beanspruchen. Der Mandant ist jedoch im Rahmen der Beratung darauf hinzuweisen, dass dies bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung von dem erkennenden Gericht durchaus anders gesehen werden kann.
Rz. 354
Muster 8.95: Nutzungsausfallentschädigung für Fahrrad
Muster 8.95: Nutzungsausfallentschädigung für Fahrrad
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie lehnen die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer der Reparatur des Fahrrads meines Mandanten zu Unrecht ab.
Mein Mandant hat kein Auto. Er kann auch nicht den ÖPNV nutzen. Er ist daher auf sein Fahrrad angewiesen und nutzt dieses täglich für den Weg zu Arbeit.
Der Große Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass ein Nutzungsausfall dann als ein zu ersetzender Vermögensschaden anzusehen ist, wenn es sich um einen Gegenstand handelt, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist (BGH GSZ NJW 1987, 50). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist auch der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrrades als ersatzfähiger Vermögensschaden anzusehen, wenn Fahrräder etwa regelmäßig für den Weg zur Arbeit genutzt werden. Dies dann, wenn die Voraussetzung, dass der Berechtigte auf die ständige Verfügbarkeit typischerweise angewiesen ist, grundsätzlich erfüllt ist (LG Lübeck, SP 2012, 183). Das ist hier der Fall. Mein Mandant kann für die Dauer der Wiederbeschaffungszeit eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe der Kosten...