Rz. 298

In erster Linie steht dem Geschädigten die Möglichkeit offen, den Nachweis zu führen, dass ihm ein günstigerer Tarif nicht ohne Weiteres zugänglich gewesen ist. Er muss lediglich im Rahmen der ihm zumutbaren Arten der Schadensbeseitigung die günstigere wählen.[361] Hierbei handelt es sich um einen Ausfluss der stets zu beachtenden subjektiven Schadenskomponente als Anspruchsvoraussetzung, die der Geschädigte zu beweisen hat.[362]

Einen (objektiv) ungerechtfertigt überhöhten "Unfallersatztarif" kann der Geschädigte nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und ggf. auch beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.[363] Dabei ist insbesondere auf die für den Geschädigten zumutbaren Anstrengungen unter Berücksichtigung des zeitlich – und örtlich – relevanten Marktes einzugehen. Bejaht worden ist eine solche Erkenntnismöglichkeit beispielsweise für einen Geschädigten, der als Kfz-Sachverständiger tätig ist[364] sowie in den Fällen, in denen unstreitig eine Aufklärung durch das Mietwagenunternehmen über die verschiedenen Tarife erfolgt war.[365]

 

Rz. 299

Entscheidend für die Frage der Zugänglichkeit ist, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Nachfrage nach dem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre[366] und ob er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifes, insbesondere aufgrund der Höhe der Mietzahlungen gehabt hätte.[367] Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalles geboten sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und ggf. ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen.[368] Allein das Vertrauen darauf, dass vom Vermieter der für den Geschädigten passende, erstattungsfähige Tarif ausgewählt wird, genügt nicht, um einen Unfallersatztarif zu akzeptieren.[369] Besteht keine besondere Eilsituation wird der Geschädigte sich in der Regel nach weiteren Tarifen erkundigen müssen; dies gilt insbesondere dann, wenn er ein Fahrzeug zu derart hohen Preisen nicht ohne Weiteres angemietet hätte, wenn er den Mietpreis selber hätte bezahlen müssen.[370]

 

Rz. 300

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Rechtsprechung eine Verpflichtung des Mietwagenanbieters ausgesprochen wird, den Kunden u.U. über die verschiedenen Tarifarten aufzuklären.[371] Bietet der Vermieter dem Unfallgeschädigten einen Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, so muss er den Mieter darüber aufklären. Danach ist es erforderlich, aber auch ausreichend, den Mieter unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.[372] Erfolgt diese Aufklärung nicht, kann dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. in Höhe der Differenz zwischen Normal- und Unfallersatztarif zustehen. Wenn eine derartige Aufklärung zur Absicherung der Rechtsposition des Mietwagenunternehmens erfolgt wird es dem Geschädigten sehr schwer fallen, eine entsprechend eingeschränkte Informationsmöglichkeit über die verschiedenen Tarife zur vollen Überzeugung des Gerichtes darzulegen und zu beweisen. Bei einem ausdrücklichen Hinweis des Vermieters auf andere Tarife ist der Geschädigte jedenfalls zu weiteren Preisvergleichen angehalten.[373]

 

Rz. 301

Im Einzelfall können folgende Faktoren eine Rolle spielen:

Wie schnell benötigte der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug?
Bestand vor Ort (Kleinstadt, Großstadt, Werktag?) die Möglichkeit, Vergleichsangebote einzuholen?
Ist der Geschädigte geschäftserfahren? Hat er in der Vergangenheit bereits Erfahrungen bei der Anmietung von Ersatzfahrzeugen gesammelt? Beherrscht er die deutsche Sprache?
Ist er ggf. einer Empfehlung seiner Fachwerkstatt gefolgt?
 

Rz. 302

Die Rechtsprechung geht insoweit davon aus, dass dem Geschädigten i.d.R. ein Preisvergleich und eine daraus resultierende Anmietung zum sog. Normaltarif möglich und zumutbar gewesen ist, es sei denn, es liegt eine sog. Notsituation vor. Ein Eil- oder Notbedarf, der eine weitere Erkundigungsmöglichkeit auszuschließen vermag, ist i.d.R. nicht gegeben, wenn der Geschädigte das Ersatzfahrzeug in einer größeren Stadt an einem Werktag nach dem Unfall angemietet hat.[374] Eine besondere Eilbedürftigkeit kann sogar bei einer Anmietung noch am Unfalltag fehlen.[375] Mietet der Geschädigte erst 4 Tage nach dem Unfall ein Ersatzfahrzeug an, hat er ausreichend Zeit, sich bei regionalen Anbietern nach den dort üblichen Konditionen zu erkundigen und war bei Anfragen nicht gezwungen offen zu legen, dass er Unfallgeschädigter und nicht Selbstzahler ist.[376] Erst Recht ist davon auszugehen, dass eine Anmietung zum Normaltarif in großstädtischen Ballungsraum gut 8 Tage nach dem Unfallereignis möglich ist.[377]

Oft weisen die Versichere...

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