Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
Rz. 365
Liegt ein Reparaturschadenfall vor, ist für die Bemessung der Ausfalldauer grundsätzlich der Zeitraum zwischen Unfall und Reparatur-Ende maßgeblich. Der Geschädigte muss sich eine Verkürzung dieser Frist gefallen lassen, wenn die Ausfalldauer schuldhaft verlängert wurde. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Geschädigte die Bezifferung des Fahrzeugschadens oder den Beginn der Reparaturarbeiten schuldhaft verzögert hat. Wichtig ist im Übrigen, dass eine etwaige Verzögerung der Reparaturarbeiten durch die Reparaturwerkstatt grundsätzlich nicht zu Lasten des Geschädigten geht.
Rz. 366
Der Tag des Schadenseintritts ist für den Beginn der Nutzungsausfalldauer allerdings nur dann maßgeblich, wenn das Fahrzeug durch den Verkehrsunfall in seiner Fahrfähigkeit und/oder Verkehrssicherheit beeinträchtigt wurde. Andernfalls beschränkt sich die Ausfalldauer auf die konkrete Reparaturzeit. Liegt die Verkehrssicherheit nur deshalb nicht vor, weil beispielsweise das Blinkerglas beschädigt wurde, ist der Geschädigte u.U. gehalten, den Ausfallzeitraum dadurch erheblich zu reduzieren, dass er zunächst nur eine sog. Notreparatur durchführen lässt.
Rz. 367
Allgemein anerkannt ist, dass dem Geschädigten nach Zugang des Gutachtens für die Entscheidung eine angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Reparatur durchgeführt werden soll. Dem Geschädigten ist zuzubilligen, innerhalb der angemessenen Überlegungsfrist zu entscheiden, ob eine Reparatur tatsächlich durchgeführt, auf Basis des Gutachtens eine fiktive Schadensabrechnung vorgenommen oder trotz etwaiger finanzieller Einbußen eine Ersatzbeschaffung vorgenommen werden soll. Die Entscheidung hierüber obliegt allein der Dispositionsfreiheit des Geschädigten. Die Zubilligung eines Überlegungszeitraums ist insbesondere in den Fällen konsequent, in denen ein Grenzfall zwischen Reparatur- und wirtschaftlichem Totalschaden vorliegt. Nach Auffassung des AG Gießen gebührt dem Geschädigten eine angemessene Überlegungsfrist von zehn Tagen nach der Vorlage des Gutachtens, innerhalb derer er sich über die konkrete Schadensbeseitigung entscheiden kann. Der BGH beziffert die Überlegungsfrist mit sieben Tagen (BGH NJW 1975, 160). Teilweise wird auch nur eine Überlegungszeit von bis zu fünf Tagen für angemessen erachtet.
Die Berechnung des Nutzungsausfalls besteht richtigerweise aus drei Zeiträumen, nämlich dem Schadensermittlungszeitraum, dem Überlegungszeitraum und dem Wiederbeschaffungszeitraum.
Rz. 368
Muster 8.99: Überlegungszeitraum
Muster 8.99: Überlegungszeitraum
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei der Regulierung der Nutzungsausfallentschädigung orientieren sie sich starr an der tatsächlichen Reparaturdauer. Sie verkennen dabei, dass meinem Mandanten auch ein Überlegungszeitraum zusteht und er deshalb nach Zugang des Gutachtens noch drei Tage überlegen durfte, ob die Reparatur durchgeführt wird. Der BGH hat sogar sieben Tage anerkannt (BGH NJW 1975, 160). Das gilt hier umso mehr, als der Schaden nach dem Gutachten nahezu ein wirtschaftlicher Totalschaden ist und mein Mandant auch über eine Neuanschaffung nachgedacht hat (vgl. hierzu Gutt, jurisPR-VerkR 11/2014 Anm. 3). Die Entscheidung hierüber obliegt allein der Dispositionsfreiheit des Geschädigten (LG Bonn VersR 2013, 1147; AG München DV 2017, 100).
Sie werden daher zur Zahlung der vollständig bezifferten Nutzungsausfallentschädigung bis spätestens zum
_________________________ (14-Tages-Frist)
aufgefordert.
Mit freundlichem Gruß
(Rechtsanwalt)
Rz. 369
Auch eine außergewöhnlich lange Überschreitung der vom Sachverständigen geschätzten Ausfalldauer steht einem Ausgleich für den gesamten Ausfallzeitraum nicht entgegen, solange die verlängerte Ausfalldauer nicht vom Geschädigten zu vertreten ist. Verzögert sich die Reparatur dadurch, dass der Reparateur von seinem Werkunternehmerpfandrecht Gebrauch macht und der Geschädigte keine eigenen Geldmittel zur Verfügung hat, um das Fahrzeug "auszulösen", empfiehlt es sich dringend, zur Meidung des Vorwurfs, die Schadenminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB verletzt zu haben, den Versicherer hierüber zu informieren.