Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
Rz. 274
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH ist in der unterinstanzlichen Rechtsprechung ein Streit darüber entstanden, auf welcher Basis der Tatrichter den als ortsüblich anzusehenden Normaltarif im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu bestimmen hat, den der Geschädigte zumindest als erforderlichen Aufwand i.S.d § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersetzt erhält.
Rz. 275
Der BGH hält sich als Revisionsgericht bei der Bestimmung dieser Aufwendungen bedeckt und gibt dem Tatrichter im Rahmen der nachfolgend angeführten Grundsätze weitestgehend "freie Hand". Bei der Prüfung der Angemessenheit der Mietwagenkosten ist grundsätzlich das Preisniveau an dem Ort maßgebend, an dem das Fahrzeug angemietet und übernommen wird, weil dort der Bedarf für ein Mietfahrzeug entsteht. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den "Normaltarif" auf der Grundlage eines sog. Mietwagenspiegels – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls etwa ergänzt durch Abschläge bzw. Zuschläge oder sachverständige Hilfe – berechnen. Der BGH hat wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif sowohl auf Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels als auch der Fraunhofer-Liste ermittelt werden kann. Eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Erhebungen hat er auch nicht als rechtsfehlerhaft erachtet.
Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher und offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Bedenken gegen eine Schätzgrundlage muss nicht durch Beweiserhebung nachgegangen werden, wenn eine andere geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung steht. Etwa hatte der BGH über mehrere Verfahren zu entscheiden, bei denen der Tatrichter auf Basis des sog. Schwacke-Mietpreisspiegels den als ortsüblich anzusehenden Normaltarif ermittelt hat. In diesen Fällen hat der BGH keine ausreichenden Einwendungen angenommen, die mit konkreten Tatsachen eine Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels als Schätzungsgrundlage erschüttert hätten. Hierbei ist genau zu prüfen, ob durch Vorlage konkreter Vergleichsangebote deutlich geringere Mietwagenpreise aufgezeigt werden und dadurch ein Mietpreisspiegel als Schätzungsgrundlage erschüttert wird. Dabei ist zu beachten, dass die Angebote den Konditionen der Anmietsituation (Datum, Übergabeort, Nebenkosten) etwa den Werten der vorgezogenen Liste entsprechen.
Rz. 276
Bei der Umsetzung dieser Vorgaben des BGH hat sich derzeit ein "Flickenteppich" in der Rechtsprechung bei der Bestimmung der als erforderlich anzusehenden Mietwagenkosten etabliert. Dies vor dem Hintergrund, dass derzeit zwei jährlich erscheinende Mietpreisspiegel als Schätzungsgrundlage in Betracht kommen: Es handelt sich dabei um den sog. Schwacke-Mietpreisspiegel und die Befragung des Fraunhofer Instituts. Der größte methodische Unterschied zwischen beiden Befragungen dürfte darin bestehen, dass die Fraunhofer Befragung anonym im Rahmen einer nachgestellten Anmietsituation erfolgt sein soll, während Schwacke gegenüber den befragten Mietwagenunternehmen das Befragungsziel offen gelegt hat. Ein Großteil der Befragung seitens des Fraunhofer Institut erfolgte allerdings über sog. Internetangebote mit einem größeren Raster an Postleitzahlgebieten bei der Erfassung der Angebote. Wichtig ist ferner, dass in den Werten der Schwacke-Mietpreisliste eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung bis 500 EUR und in der Fraunhoferbefragung eine Haftungsreduzierung bis 750 EUR bereits enthalten sind. Darüber hinaus gehende Aufwendungen für eine Haftungsbefreiung und weitere Nebenkosten sind in der Schwacke-Liste-Nebenkostentabelle gesondert ausgewiesen und können bei Nachweis der Erforderlichkeit abgerechnet werden.
Rz. 277
Während eine Vielzahl an Gerichten gerade in großstädtischen Ballungsräumen die Fraunhofer Befragung als vorzugswürdig zu erachten, wenden eine Reihe an Gerichten – insbesondere im großflächigen ländlichen Raum – weiterhin den Schwacke-Mietpreisspiegel an.
Dem Tatrichter ist jedenfalls ein weiter Ermessensspielraum eröffnet. Zum Ausgleich von Vor- und Nachteilen beider einschlägiger vorbenannter Listen ist ein großer Teil der Obergerichte dazu übergegangen, anhand einer Mittelweglösung den Schaden zu schätzen, statt ein häufig als unwirtschaftlich anzusehendes Sachverständigengutachten einzuholen. Bei dieser sog. "Fracke-Lösung" bildet der Tatrichter aus der Summe der Mietpreise aus der Schwacke- und der Fraunhofer-Liste das arithmetische Mittel. Zu diesem ermittelten Normaltarif werden noch die als erstattungsfähig angesehenen Nebenkosten (Zustellkosten, K...