Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
I. Übersicht
Rz. 186
Bestandteil des Fahrzeugschadens ist neben der daran eingetretenen Beschädigung auch die Beeinträchtigung des Fahrzeugwerts, die trotz durchgeführter Reparatur daran verbleibt. Die Rede ist vom sog. Minderwert.
Zu unterscheiden sind dabei die beiden Fallgruppen des
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technischen Minderwerts und |
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merkantilen Minderwerts. |
Rz. 187
Ein technischer Minderwert liegt vor, wenn trotz durchgeführter Reparaturarbeiten nicht sämtliche Schäden an dem Unfallfahrzeug in technisch einwandfreier Art und Weise beseitigt werden konnten. Fälle dieser Art sind angesichts der fortschreitenden Reparaturtechnik äußerst selten geworden.
Rz. 188
Wesentlich häufiger zu beachten ist der merkantile Minderwert. Dabei handelt es sich um den Makel, den das Fahrzeug trotz fachgerechter Reparatur dadurch behält, dass es als Unfallfahrzeug zu qualifizieren ist. Durch den Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts soll der Schaden ausgeglichen werden, der darauf beruht, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge gegenüber unfallfreien erfahrungsgemäß mit Preisabschlägen gehandelt werden. Mit dem Ausgleich dieser Schadensposition wird der allgemeinen Verkehrsauffassung Rechnung getragen, dass der durch einen Unfall betroffene Wagen nach seiner Instandsetzung unbeschadet seiner technisch einwandfreien Herstellung geringer bewertet wird als vor dem Unfall. Dabei können auch wiederum wertsteigernde Faktoren zu berücksichtigen sein, wie der Einbau eines neuen Motors.
Grundsätzlich spielt es keine Rolle, um was für einen Fahrzeugtyp es sich handelt. Die Rechtsprechung gewährt merkantile Wertminderung auch für Nutzfahrzeuge und für Motorräder.
Rz. 189
Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich ausschließlich mit dem merkantilen Minderwert. Voraussetzungen hierfür sind
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Verhältnismäßige Neuwertigkeit des Fahrzeugs, |
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Erheblichkeit des Schadens, |
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keine wesentlichen Vorschäden am Fahrzeug. |
Für den Anspruch auf merkantile Wertminderung spielt es keine Rolle, ob der Unfallschaden repariert wird oder nicht. Die einzelnen Voraussetzungen, unter denen eine Neuwertigkeit des Fahrzeuges und eine Erheblichkeit des Schadens angenommen werden, unterliegen derzeit einem Wandel in der Rechtsprechung und werden nicht mehr so rigide wie früher gehandhabt. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass der Einbau von Neuteilen der Annahme eines merkantilen Minderwerts grundsätzlich nicht entgegensteht. Es gibt auch keinen sachlichen Grund, bei der Bemessung der Wertminderung zwischen gewerblichem Handel und privatem Verkauf zu differenzieren.
II. Verhältnismäßige Neuwertigkeit des Fahrzeugs
Rz. 190
In der älteren Rechtsprechung hatte sich insoweit die Faustformel gebildet, dass ein merkantiler Minderwert nur bis zu einem Fahrzeugalter von fünf Jahren oder einer Laufleistung von bis zu 100.000 km erstattet werden könnte. Bereits im Rahmen dieser älteren Rechtsprechung war aber anerkannt, dass auch bei einer Laufleistung über 100.000 km ein merkantiler Minderwert zu erstatten ist, wenn ein Sachverständiger dies im Einzelfall bejaht. Diese Grenzziehung entspricht nach neuer Auffassung nicht mehr den Marktgegebenheiten und es sind die sich wandelnden Gegebenheiten auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu berücksichtigen, die einen Minderwert bei einem Fahrzeugalter von bis zu 12 Jahren als möglich erscheinen lassen. Für den Anspruch auf merkantile Wertminderung ist letztlich entscheidend, ob und inwieweit sich ein Vorschaden auf den Verkaufswert des Fahrzeugs auswirkt. Dies kann sowohl bei älteren als auch bei Fahrzeugen mit hoher Laufleistung der Fall sein. Dies gilt zumindest, wenn die o.g. Grenzen nur geringfügig überschritten werden und das Fahrzeug bei 104.000 km Laufleistung gerade einmal 6 Jahre alt ist. Maßgeblich ist also der tatsächliche Verlust an Marktwert, der sich aus einem Vergleich zwischen konkreten Verkaufsdaten für Fahrzeuge des beschädigten Typs mit und ohne Vorschaden ableitet. Ein dahin gehender Nachweis kann durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens geführt werden. Auch eine Laufleistung von annähernd 190.000 km steht einem Anspruch auf merkantile Wertminderung im Einzelfall nicht entgegen. Dies insbesondere dann nicht, wenn tragende Fahrzeugteile beschädigt worden sind. Bei einem Fahrzeugalter von 16 Jahren und einer Laufleistung von 164.000 km ist dagegen ein merkantiler Minderwert in der Regel zu verneinen. Auch wenn...