Rz. 54

Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis seitens des Schädigers spätestens erfolgen muss, bestanden daher bis zur Entscheidung des BGH v. 14.5.2013[58] in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen. Zum Teil wurde es für ausreichend gehalten, dass im Fall der fiktiven Schadensabrechnung des Geschädigten die Schädigerseite auch noch erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist.[59] Diese Möglichkeit, d.h. dass ein Verweis erst im Prozess erfolgt, wurde von anderen Teilen der Rechtsprechung hingegen abgelehnt.[60] Mit Urt. v. 14.5.2013[61] hat der BGH den Streit dahingehend entschieden, dass der Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder freien Fachwerkstatt noch im Rechtsstreit erfolgen kann, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen.

 

Rz. 55

Der BGH begründet diese Möglichkeit des Verweises des Schädigers noch im anhängigen Prozess damit, dass bei einer fiktiven Abrechnung entscheidend sei, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiere daher dahingehend, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufriedengebe.

 

Rz. 56

Der BGH hat die Möglichkeit des Werkstattverweises im laufenden Prozess in seiner Entscheidung vom 15.7.2014[62] nicht nur nochmals bestätigt, sondern auch entschieden, dass es einem solchen Verweis nicht entgegensteht, wenn der Geschädigte den Fahrzeugschaden in der Zwischenzeit bereits behoben hat, aber weiterhin fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnet.

 

Rz. 57

Muster 8.12: Zulässige Verweisung im Prozess

 

Muster 8.12: Zulässige Verweisung im Prozess

Dass eine Verweisung erst im laufenden Prozess erfolgt ist, kann nicht beanstandet werden. Entscheidet sich der Geschädigte für eine fiktive Abrechnung der Reparaturkosten, wird er in zeitlicher Hinsicht nicht geschützt, so dass auch erst im Prozess bzw. nach einer (angeblich) durchgeführten Reparatur eine Verweisung erfolgen kann (BGH, Urt. v. 15.7.2014 – VI ZR 313/13 = NJW 2014, 3236 und Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 310/12 = NJW 2013, 2817).

 

Rz. 58

Welche konkreten inhaltlichen Anforderungen an den Verweis zu stellen sind, ist vom BGH noch nicht höchstrichterlich geklärt. Der Hinweis muss jedenfalls so umfassend sein, dass dem Geschädigten zumindest mühelos eine Kontaktaufnahme mit der Werkstatt ohne eigene Nachforschungen möglich ist. Ob darüber hinaus auch nachvollziehbare Ausführungen zu der konkret benannten Werkstatt und der dort gebotenen Reparaturqualität erforderlich sind, bleibt abzuwarten. Teilweise wird in der Rechtsprechung jedenfalls gefordert, dass für den Geschädigten erkennbar sein muss, warum eine gleichwertige Reparaturqualität gewährleistet ist.[63] Der BGH hat in seinem Urteil jedenfalls keine Veranlassung gesehen, den im dortigen Verfahren erfolgten Hinweis der Beklagten zu rügen. Der pauschale Hinweis auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Fachwerkstatt dürfte jedoch nicht ausreichen, weil damit nicht einmal die Möglichkeit eröffnet wird, die Frage der gleichwertigen Reparatur bei müheloser Zugänglichkeit überhaupt zu überprüfen.[64]

 

Rz. 59

Muster 8.13: Unzureichender Hinweis auf Reparaturmöglichkeit

 

Muster 8.13: Unzureichender Hinweis auf Reparaturmöglichkeit

Vorliegend scheitert eine Verweisung bereits daran, dass kein ausreichend konkreter Hinweis zur angeblich gleichwertigen Qualität erfolgt ist. Will der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, reicht der pauschale Hinweis auf eine konkrete – kostengünstigere – freie Reparaturwerkstatt zur Überprüfung der fachlichen Gleichwertigkeit durch den Geschädigten nicht aus. Zu fordern ist, dass der Ersatzpflichtige dem Geschädigten konkrete, die Gleichwertigkeit betreffende Angaben zukommen lässt. Maßgeblich sind Kriterien, ob es sich etwa um eine Meisterwerkstatt handelt, ob diese zertifiziert ist, ob dort Originalersatzteile Verwendung finden und über welche Erfahrung man bei der Reparatur von Unfallfahrzeugen verfügt. Auch die Entfernung der benannten Verweiswerkstatt zum Wohnort spielt eine Rolle, da die Realisierung der Reparatur für den Geschädigten nicht mit unzumutbaren Unannehmlichkeiten verbunden sein darf (vgl. statt vieler: OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2012 – 1 U 139/11 = NJW 2012, 2044).

Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt: _________________________.

[58] BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 310/12 = NJW 2013, 2817.
[59] LG Frankfurt a.M., Urt. v. 19.1.2011 – 2–16 S 121/10 = BeckRS 2011, 02790; LG Stuttgart, Urt. v. 19.7.2010 – 4 S 48/10 = BeckRS 2010, 20333.

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