Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
1. Übersicht
Rz. 28
Wird ein Fahrzeugschaden "fiktiv" abgerechnet, ist damit gemeint, dass die Abrechnung in Abweichung von der tatsächlichen Schadensbehebung erfolgt.
Dogmatische Grundlage hierfür ist § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach der Schädiger dem Geschädigten den Ausgleich des für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes "erforderlichen" Geldbetrags schuldet. Zutreffenderweise wird aus der in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gewählten Formulierung gerade nicht der Rückschluss hergeleitet, dass der Geschädigte diesen Geldbetrag auch tatsächlich zur Durchführung der erforderlichen Reparaturarbeiten verwenden muss. Das Geld steht vielmehr zu seiner freien Disposition. Er kann deshalb
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auf die Reparatur des Fahrzeugs gänzlich verzichten, |
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nur einen Teil des Fahrzeugschadens reparieren lassen oder |
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einen kostengünstigeren Weg der Reparatur wählen. |
Rz. 29
In jedem Fall steht ihm grundsätzlich der für eine fachgerechte Reparatur volle Geldbetrag zu. Allerdings sieht § 249 Abs. 2 S. 2 BGB in der seit dem 1.8.2002 geltenden Fassung wie bereits dargelegt vor, dass eine Mehrwertsteuer nur ersetzt wird, wenn und soweit diese tatsächlich angefallen ist. Diese Regelung bestätigt zugleich in einem Umkehrschluss, dass eine Schadensabrechnung auch ohne Bezug zu den tatsächlichen Reparaturkosten zulässig ist.
Zwar finden sich derzeit vereinzelt Stimmen in der Rechtsprechung, welche dies kritisch sehen: Nach dieser Ansicht soll die Aufgabe der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH zur fiktiven Schadensberechnung im Rahmen des sogenannten kleinen Schadensersatzes entgegen der dort vertretenen Auffassung nicht auf werkvertragliche Ansprüche beschränkt sein, sondern sämtliche Schadensersatzansprüche erfassen, gleich, ob sie sich aus vertraglich begründeten Schuldverhältnissen herleiten oder ob sie auf gesetzlichen Schuldverhältnissen etwa des Deliktrechts beruhen – dies mit der Konsequenz, dass es auch im Verkehrsunfallrecht keine fiktive Abrechnung mehr geben sollte. Auch in Ansehung kritischer Erwägungen zu einer fiktiven Abrechnung bei dem Schadensersatz im Werkvertragsrecht hält der 6. Zivilsenat des BGH auch im Jahr 2018 weiter an der fiktiven Abrechnungsmöglichkeit fest.
Hinweis
Zu beachten ist dabei, dass sowohl die Reparatur des Fahrzeugs als auch eine Ersatzbeschaffung nach stetiger Rechtsprechung eine Form der Naturalrestitution darstellen. Dies bedeutet, dass § 249 BGB in beiden Fällen Anwendung findet. Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ist daher sowohl bei der Reparatur des Fahrzeugs als auch bei einer Ersatzanschaffung die Mehrwertsteuer nur zu ersetzen, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
2. Bezifferung des fiktiven Reparaturschadens
Rz. 30
Da der Geschädigte – anders als beim konkreten Reparaturschaden – keine Reparaturkostenrechnung zur Bezifferung seines Schadens vorzulegen vermag, erfolgt die Bezifferung zweckmäßigerweise auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags oder eines Sachverständigengutachtens. Zur Vorlage von Belegen im Hinblick auf die tatsächlich gewählte Form der Schadenskompensation ist der Geschädigte dabei grundsätzlich nicht verpflichtet.
Rz. 31
Muster 8.5: Keine Pflicht zur Vorlage von Belegen bei fiktiver Schadensabrechnung
Muster 8.5: Keine Pflicht zur Vorlage von Belegen bei fiktiver Schadensabrechnung
_________________________ Versicherung AG
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Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________
Schaden vom _________________________
Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie machen den Ausgleich der bezifferten Reparaturkosten unzutreffenderweise von der Vorlage der Reparaturkostenrechnung bzw. der Vorlage von Schadensbelegen abhängig. Meine Mandantschaft macht von ihrem Recht Gebrauch, den an dem Fahrzeug entstandenen Schaden fiktiv und auf der Grundlage des Ihnen vorliegenden Gutachtens des Sachverständigen abzurechnen. Auch bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur besteht nicht die Verpflichtung zur Vorlage weiterer Belege im Hinblick auf die gewählte Form der Schadenskompensation. Unabhängig von der konkreten Schadensbehebung besitzt mein Mandant einen Anspruch auf Ausgleich der vom Sachverständigen geschätzten voraussichtlichen Reparaturkosten (BGH NJW 1989, 3009). In welchem Verhältnis diese Kosten zu den tatsächlichen Aufwendungen meines Mandanten zur Schadensbehebung stehen, spielt dabei keine Rolle. In jedem Fall ist mein Mandant nicht zur Vorlage von Belegen über den von ihm eingeschlagenen Weg zur Schadensbeseitigung einerseits und die dadurch verursachten Kosten andererseits verpflichtet (BGH a.a.O.).
Danach habe ich Sie aufzufordern, den mit Schreiben vom _________________________ bezifferten Schaden unverzüglich, spätestens jedoch bis zum
_________________________ (10-Tages...