Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
1. Übersicht
Rz. 76
Die Abrechnung auf Basis der Reparaturkosten ist nur die eine Abrechnungsart, die dem Geschädigten offensteht. Unter Umständen kann er auch gehalten sein, auf Basis der Kosten für die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs abzurechnen. Ob die Aufwendungen für eine Reparatur oder aber die Kosten für eine Wiederbeschaffung abzurechnen sind, ergibt sich aus dem sog. "4-Stufen-Modell" des BGH, welches im nächsten Kapitel erläutert wird.
Rz. 77
Bei der Abrechnung auf Basis der Kosten der Ersatzbeschaffung ist wie folgt zu unterscheiden: Die Kosten, die für die Beschaffung eines gleichwertigen Kraftfahrzeugs anfallen würden, bilden den sog. Wiederbeschaffungswert. Daneben kann der dem Fahrzeug nach dem Unfall weiter beizumessende Restwert zu berücksichtigen sein. Unter Anrechnung dieses Restwertes auf den Wiederbeschaffungswert ergibt sich der sog. Wiederbeschaffungsaufwand als die Kosten, die bei einer Ersatzbeschaffung unter Berücksichtigung einer Einnahme durch Veräußerung des verunfallten Fahrzeugs anfallen. Der Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes kann (wie auch bei den Reparaturkosten) konkret über den Nachweis einer Ersatzbeschaffung einschließlich der dabei angefallenen Mehrwertsteuer oder aber fiktiv auf Basis des Schadensgutachtens unter Ausschluss der Mehrwertsteuer erfolgen.
2. Wiederbeschaffungswert
Rz. 78
Die Bezifferung des Wiederbeschaffungswerts erfolgt in aller Regel auf der Grundlage der Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten. Liegt kein Sachverständigengutachten vor, kann der Wiederbeschaffungswert durch einen Blick in Gebrauchtwagenlisten (z.B. "Eurotax-Schwacke") ermittelt werden. Allerdings beinhaltet diese Liste lediglich Angaben für Fahrzeuge, die maximal zehn Jahre alt sind. Die Bezifferung des Wiederbeschaffungswerts älterer Fahrzeuge oder besonderer Fahrzeugtypen, die in Gebrauchtwagenlisten nicht vermerkt sind, erfordert eine konkrete Marktanalyse. Anhaltspunkte für die Bezifferung des Wiederbeschaffungswerts derartiger Fahrzeuge bieten Angebote über entsprechende Fahrzeuge bei Gebrauchtwagenhändlern, insbesondere über die einschlägigen Internetportale oder Kleinanzeigen der lokalen oder der Fachpresse. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass Anzeigen in überregionalen Fachzeitschriften oder gar im Internet i.d.R. keinen Aufschluss über das regionale Marktgefüge am Ort des Geschädigten geben. Aus diesem Grund ist einer Bezifferung des Wiederbeschaffungswerts durch einen Sachverständigen in der Regel der Vorzug einzuräumen.
Hinweis
Für die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts ist allein der Eintritt des Schadensfalls maßgeblich. Ein zwischenzeitlicher Preisverfall geht zu Lasten des Schädigers.
3. Restwert
a) Übersicht
Rz. 79
Unter dem Begriff "Restwert" wird der Wert des beschädigten Unfallfahrzeugs verstanden. Auch dieser Wert macht sich an konkreten Marktwerten fest. Früher konnte für jedes noch so beschädigte Fahrzeug ein Restwert als "Schrottwert" erzielt werden. Da die Fahrzeuge heutzutage aufgrund der verschärften Umweltgesetzgebung ordnungsgemäß entsorgt werden müssen, verursacht die Verwertung des Unfallfahrzeugs u.U. sogar Kosten, so dass nicht mehr in jedem Fall ein Restwert erzielt werden kann.
Rz. 80
Für die Bestimmung des Restwerts gilt, dass der Geschädigte sich grundsätzlich den Restwert anrechnen lassen muss, der in dem Sachverständigengutachten ausgewiesen wird. Hiervon gibt es jedoch eine Reihe an Ausnahmen, die sich in folgende zwei Problemfelder eingrenzen lassen: Zum einen geht es um die Frage, ob ein tatsächlich erzielter (geringerer oder größerer) Restwert maßgeblich werden kann. Zum anderen kann dem Geschädigten in bestimmten Ausnahmefällen der Vorwurf eines erheblichen Mitverschuldens gemacht werden.
b) Restwert lässt sich insgesamt nicht mehr erzielen
Rz. 81
Der vom Sachverständigen angeführte Restwert stellt lediglich einen Schätzwert dar, der sich im Einzelfall nicht immer realisieren lässt. In diesen Fällen ist darauf zu achten, dass alle Verkaufsbemühungen des Mandanten in substantiierter Weise dargelegt und ggf. dokumentiert werden können, um den Versicherer davon zu überzeugen, dass die erste Schätzung des Sachverständigen tatsächlich unzutreffend ist. Durch eine entsprechende Anzeige und Fristsetzung zur Vermittlung eines zutreffenden Angebots wird von vorneherein unterbunden, dass dem Mandanten gegenüber der Vorwurf eines Mitverschuldens erhoben werde könnte. Auch werden weitere erhebliche Aufwendungen des Mandanten zur Ermittlung eines Restwertkäufers vermieden.
Rz. 82
Muster 8.20: Nichterzielung des geschätzten Restwerts
Muster 8.20: Nichterzielung des geschätzten Restwerts
_________________________ Versicherung AG
_________________________
_________________________
Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________
Schaden vom _________________________
Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der im Betreff genannten Schadensache bemühte sich meine Mandantschaft in der Zwischenzeit vergebl...