Rz. 236
Zitat
BGB § 249; ZPO § 287 Abs. 1
Zur Schätzung des erforderlichen Herstellungsaufwands (hier: Kosten eines Kfz-Sachverständigen).
Orientierungssatz juris:
Der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung des Sachverständigen und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Diese Indizwirkung greift auch dann Platz, wenn die Rechnung des Sachverständigen nicht vom Geschädigten selbst, sondern von dessen anwaltlichem Bevollmächtigten beglichen worden ist und der Geschädigte selbst eine Honorarvereinbarung mit dem Sachverständigen geschlossen hat, ohne bereits dabei rechtlich beraten worden zu sein.
a) Der Fall
Rz. 237
Der Kläger verlangte Ersatz von restlichen Sachverständigenkosten als Schaden aus einem Verkehrsunfall.
Im Oktober 2016 wurde das Fahrzeug des Klägers bei einem Verkehrsunfall beschädigt, der durch den Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw verursacht worden war. Der Kläger beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Schadens an seinem Kraftfahrzeug. Er schloss mit dem Sachverständigen eine Honorarvereinbarung ab, in der er die Schadensersatzansprüche auf Erstattung von Gutachterkosten zur Sicherheit an den Sachverständigen abtrat. Die Sicherungsabtretung sollte mit vollständiger Bezahlung der vom Sachverständigen berechneten Kosten erlöschen. Nach der Honorarvereinbarung sollte zum einen ein nach der Höhe des Nettoschadens prozentual berechnetes Grundhonorar bezahlt werden. Bei Nettoschäden bis 1.350 EUR betrug der vereinbarte Satz für das Nettogrundhonorar 30 % des in der Vereinbarung näher definierten Nettoschadens. Daneben sollten verschiedene Nebenkosten, wie etwa Telekommunikations-, Porto-, Schreib- und EDV-Kosten, teils pauschal und teils nach Anfall berechnet werden können.
Rz. 238
Der Sachverständige berechnete dem Kläger für seine Tätigkeit ein Honorar von brutto 704,96 EUR. Das Grundhonorar betrug 30 % des ermittelten Nettoschadens und wurde mit netto 365,60 EUR berechnet. Zusätzlich wurden dem Kläger Netto-Nebenkosten in Höhe von insgesamt 226,80 EUR in Rechnung gestellt.
Rz. 239
Die Beklagte beglich die Sachverständigenrechnung in Höhe von 407 EUR. Die Differenz von 297,96 EUR zahlte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Sachverständigen. Der Kläger verlangte nun von der Beklagten die Erstattung dieses Differenzbetrages.
Rz. 240
Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 105,65 EUR verurteilt. Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Begehren auf Ersatz der restlichen Sachverständigenkosten weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 241
Die Revision wandte sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Höhe der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Honorarsumme nebst Nebenkosten und dem Inhalt der zwischen Geschädigtem und Sachverständigen geschlossenen Honorarvereinbarung komme im vorliegenden Schadensersatzprozess bei der Bestimmung der Höhe der zu ersetzenden Sachverständigenkosten keine Bedeutung zu, war rechtsfehlerhaft.
Rz. 242
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bildet der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder.
Rz. 243
Mit diesen Grundsätzen war die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu vereinbaren, die vorstehend beschriebene Indizwirkung könne im Streitfall schon deshalb nicht Platz greifen, weil die Rechnung des Sachverständigen nicht vom Geschädigten selbst, sondern von dessen anwaltlichem Bevollmächtigten beglichen worden sei.
Rz. 244
Der Senat teilte nicht die Annahme des Berufungsgerichts, es sei bei einer Zahlung des (Rest-)Honorars durch einen Rechtsanwalt immer ausgeschlossen, dass diese Zahlung die eingeschränkte subjektbezogene Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten als Laien widerspiegeln könne.
Rz. 245
Hat der Geschädigte nämlich selbst eine Honorarvereinbarung mit dem Sachverständigen geschlossen, ohne bereits dabei rechtlich beraten worden zu sein, so kommt es für die Beurteilung der Erforderlichkeit des geltend gemachten Herstellungsaufwandes, soweit er sich...