Rz. 42
Zitat
BGB § 249
Zur Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall.
a) Der Fall
Rz. 43
Die Parteien stritten um den Ersatz restlicher Sachverständigen- und Anwaltskosten infolge eines Verkehrsunfalls.
Im Februar 2012 war der Kläger mit seinem Fahrzeug in einen Verkehrsunfall mit der Beklagten verwickelt, für dessen Schäden die Beklagte zu 100 % aufzukommen hatte. Der Kläger holte ein Kfz-Schadensgutachen ein, nach dem der erforderliche Reparaturaufwand rund 1.050 EUR zzgl. Umsatzsteuer betrug. Für die Erstattung des Gutachtens stellte der Sachverständige dem Kläger einen Betrag von 534,55 EUR in Rechnung, den er wie folgt aufschlüsselte:
Ausarbeitung und Anfertigung des Gutachtens |
260,00 EUR |
Lichtbilder (11) 8 x 2,80 EUR (1 Satz) |
22,40 EUR |
Telefon/EDV-Ko., Büromaterial, Porto, Schreibkosten |
75,00 EUR |
Fahrtkosten/Zeit (51 km x 1,80 EUR max. 100,00 EUR) |
91,80 EUR |
Mehraufwand Restwertbörse |
– |
Zwischensumme ohne MwSt |
449,20 EUR |
MwSt 19,0 % |
85,35 EUR |
Endsumme inkl. MwSt |
534,55 EUR |
Rz. 44
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten regulierte die Kosten in Höhe von 390 EUR. Der Restbetrag von 144,55 EUR war Gegenstand der Klage. Daneben machte der Kläger unter Anrechnung einer ebenfalls bereits vorprozessual erfolgten Zahlung restliche vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten (Rechtsanwaltskosten) in Höhe von 74,97 EUR geltend und begehrte schließlich die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die vom Kläger verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der einbezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.
Rz. 45
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung des Klägers hat das Landgericht die Beklagte unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung weiterer Gutachterkosten in Höhe von 56,90 EUR sowie weiterer vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 43,31 EUR, jeweils nebst Zinsen, verurteilt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter. Ziel der Anschlussrevision der Beklagten war die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 46
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der Geschädigte sei im Regelfall berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Kraftfahrzeugsachverständige überschreite die Grenzen rechtlich zulässiger Preisgestaltung dabei nicht alleine dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornehme. Die Gerichte könnten aber mit sachverständiger Hilfe oder im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO Feststellungen treffen, aus denen sich ergebe, dass die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB überschreite. Hierbei könne sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch in Bezug auf die Nebenkosten auf die Ergebnisse der Befragung zur Höhe des Kfz-Sachverständigenhonorars 2010/2011 durch den Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.-BVSK (im Folgenden: "BVSK-Honorarbefragung") abgestellt werden. Danach schätze die Kammer die für die Einholung des Schadensgutachtens erforderlichen Kosten auf 446,85 EUR, auf die die Beklagte bereits 390 EUR gezahlt habe.
Rz. 47
Diese Schadensberechnung hielt den Angriffen der Revision nicht stand.
Mit Recht ging das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der Kläger, einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen durfte und von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen kann. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch, wie der Senat ebenfalls bereits ausgeführt hat, vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Denn in letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligatio...