Rz. 87

BGH, Urt. v. 26.4.2016 – VI ZR 50/15, zfs 2016, 559 = VersR 2016, 1133

Zitat

BGB § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1; ZPO § 287

a) Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
b) Dem Geschädigten obliegt im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten oder später berechneten Preise.
c) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter im Rahmen der Schätzung der bei der Begutachtung anfallenden und erforderlichen Nebenkosten gemäß § 287 ZPO die Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe heranzieht.

a) Der Fall

 

Rz. 88

Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, nahm die Beklagte aus abgetretenem Recht der Frau R. auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 20.12.2012 in Anspruch, bei dem der Pkw der Frau R. durch ein von der Beklagten geführtes Fahrzeug beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit.

Frau R. beauftragte den Kläger mit der Begutachtung ihres beschädigten Fahrzeugs. Der Kläger ermittelte voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 3.326,66 EUR inklusive 19 % Mehrwertsteuer, eine merkantile Wertminderung von 250 EUR sowie einen Wiederbeschaffungswert von 8.000 EUR inklusive 2,5 % Mehrwertsteuer. Für seine Tätigkeit stellte er Frau R. insgesamt 787,01 EUR inklusive 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung. Davon entfielen 434 EUR netto auf das Grundhonorar und insgesamt 227,35 EUR netto auf einzeln ausgewiesene Positionen wie die EDV-Abrufgebühr, Porto, Telefon, Fahrzeugbewertung, Fotos, Fahrtkosten, Schreibgebühren und Fotokopien. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zahlte hierauf vorprozessual 252,50 EUR.

 

Rz. 89

Mit der Klage begehrte der Kläger, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, die Zahlung weiterer 534,51 EUR. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 502,77 EUR verurteilt, der sich aus dem Grundhonorar und sämtlichen einzeln ausgewiesenen Positionen mit Ausnahme der Fahrtkosten zusammensetzt. Den weitergehenden Zahlungsantrag hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagen hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger das Grundhonorar und Nebenkosten in Höhe von 100 EUR nebst Mehrwertsteuer abzüglich erbrachter 252,50 EUR, d.h. insgesamt 382,96 EUR, zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat das landgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben, als die Klage auf Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von 119,81 EUR abgewiesen und die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage in Höhe von weiteren 31,74 EUR zurückgewiesen worden ist. Auf die Anschlussrevision der Beklagten hat der Senat das landgerichtliche Urteil aufgehoben, soweit die Beklagte zum Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von mehr als 324,65 EUR verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung hat der Senat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Rz. 90

Mit Urt. v. 19.12.2014 hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 429,01 EUR zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte griff das Urteil mit ihrer Revision an, soweit sie zum Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von mehr als 324,65 EUR verurteilt worden ist.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 91

Das Berufungsurteil hielt den Angriffen beider Revisionen stand.

Zutreffend und von den Revisionen nicht angegriffen hatte das Berufungsgericht angenommen, dass Frau R. dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus § 18 Abs. 1 S. 1 StVG zustand, der durch Abtretung gemäß § 398 BGB auf den Kläger übergegangen ist.

Die Revisionen wandten sich ohne Erfolg gegen die vom Berufungsgericht angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten.

 

Rz. 92

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat.

Derarti...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?