Rz. 74

Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom Schadenseintritt (Unfall) bis zur Beseitigung der Schadensursache, also regelmäßig Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung (OLG Düsseldorf DAR 2006, 269). Dieser so nachgewiesene Nutzungsausfallzeitraum unterteilt sich in folgende Einzelzeiträume:

Schadensermittlungszeitraum = Unfallzeitpunkt bis zum Eingang des Sachverständigengutachtens (OLG Düsseldorf VersR 2019, 1237)
Überlegungszeitraum = nach Eingang des Sachverständigengutachtens Zeit zum Überlegen, ob. z.B. noch repariert werden oder besser ein anderweitiges Fahrzeug angeschafft werden soll, Marktanalyse und Recherchen, Klärung von Finanzierungsfragen usw. (OLG Düsseldorf VersR 2019, 1237)
Tatsächliche Reparaturdauer bzw. Wiederbeschaffungszeit.

Dabei ist auch hier jeweils die Schadensminderungspflicht des Geschädigten zu beachten.

 

Rz. 75

Der Geschädigte muss also schnellstmöglich nach dem Unfall den Sachverständigen beauftragen. Dabei ist auf Wochenend- bzw. Feiertage zu achten. Er darf allerdings zunächst einen Anwalt mit seiner Interessenwahrnehmung beauftragen, selbst wenn sich die Beauftragung des Sachverständigen dadurch verzögert (LG Saarbrücken DAR 2011, 592 = NZV 2011, 497). Ggf. muss sich der Geschädigte nach dem Verbleib des Gutachtens erkundigen und dessen Erstellung Nachdruck verleihen, sich ggf. auch schon vor dem Zugang des Gutachtens telefonisch nach den Ergebnissen erkundigen.

 

Rz. 76

Er muss sodann möglichst schnell überlegen, wie die Restitution erfolgen soll, wobei aber die konkrete berufliche oder auch tatsächliche Situation des Geschädigten zu beachten ist (wer beruflich am Tage nach dem Zugang des Gutachtens ins Ausland muss, aber auch wer – unfallbedingt oder unfallunabhängig – im Krankenhaus liegt, kann sich u.U. nicht um eine Reparatur oder die Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges kümmern).

 

Rz. 77

Sodann muss die Reparatur unverzüglich in Auftrag gegeben bzw. ein anderweitiges Ersatzfahrzeug angeschafft werden. Diesbezügliche Angaben in Sachverständigengutachten stellen allerdings lediglich bloße Schätzungen dar und sind so lange unbeachtlich, wie tatsächlich – ohne Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht – ein längerer Zeitraum erforderlich war.

 

Rz. 78

Wenn der Nutzungsausfallzeitraum aber länger, als z.B. von dem Sachverständigen geschätzt wurde, ausfällt, übersehen die Versicherer immer wieder, dass ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB von dem Schädiger darzulegen und zu beweisen ist. So streichen sie immer wieder unberechtigt die Mietwagenkosten wie auch den Nutzungsausfall auf das vom Sachverständigen zuerkannte Maß ohne Rücksicht auf die Beweislast und die tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles zusammen.

 

Rz. 79

 

Merke

Das ist grob falsch: Nutzungsausfall und Mietwagenkosten sind nicht aufgrund fiktiver Schätzungen, sondern allein auf der Basis der tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall zu regulieren!

 

Rz. 80

Wenn also z.B. laut Sachverständigengutachten sieben Tage für angemessen erachtet wurden, dann kürzen die Versicherer oftmals die Mietwagenrechnung einfach auf diese sieben Tage Inanspruchnahme, obwohl ein Blick in den Kalender zeigen würde, dass der Unfall z.B. an einem Freitag geschah und Feiertage dazwischen lagen.

 

Tipp

Ein Blick in den Kalender hilft beim Streit über die Dauer der Mietwageninanspruchnahme und des Nutzungsausfalls ("Tipp" siehe unten Rdn 289).

 

Rz. 81

Auch hat möglicherweise der Sachverständige ausweislich seiner diesbezüglichen Angaben in dem Gutachten Zeit zur Ermittlung der Ersatzteilpreise benötigt oder aus anderen Gründen sein Gutachten nicht sofort fertig stellen können, sodass auch eine unverzügliche Nachfrage durch den Geschädigten zu keiner schnelleren Klärung geführt hätte.

a) Reparaturschaden

 

Rz. 82

Zum Gebot des Geschädigten, den Schaden gering zu halten, gehört, dass der Geschädigte im Falle der Reparaturwürdigkeit für eine möglichst rasche und zügige Reparaturdurchführung Sorge zu tragen hat. Der Geschädigte darf also auch nicht etwa den Eingang einer Reparaturkostenübernahmebestätigung durch den gegnerischen Versicherer abwarten (OLG Hamm VersR 1986, 43), es sei denn, der Versicherer hat dies ausdrücklich angeordnet. Im Einzelfall kann es allerdings nicht zu beanstanden sein, wenn der Geschädigte mit dem Beginn der Instandsetzungsarbeiten in Eigenregie wartet, bis das Unfallfahrzeug durch einen Sachverständigen des gegnerischen Versicherers nachbesichtigt wurde (OLG Düsseldorf DAR 2006, 269).

 

Rz. 83

Der Geschädigte darf auch nicht unbedingt bei erkennbarer Reparaturwürdigkeit den Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens (BGH zfs 1986, 327) abwarten, bis er sich entscheidet. Er bzw. sein Anwalt muss sich vielmehr ggf. telefonisch bei dem Sachverständigen nach dem Ergebnis der Begutachtung (Reparaturwürdigkeit) erkundigen, sobald er weiß, dass dieser die Besichtigung vorgenommen hat.

 

Rz. 84

Der Geschädigte hat bei der Auftragserteilung an seine Werkstatt darauf zu acht...

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