Rz. 382
Finanzierungskosten werden nur dann geschuldet, wenn der Geschädigte die Rechnungen nicht aus eigenen verfügbaren Mitteln begleichen kann. Er hat darüber hinaus zunächst die Leistung durch den Versicherer abzuwarten, und erst dann, wenn er seine Rechnungen bezahlen muss, der Versicherer aber nicht gezahlt hat, darf Kredit in Anspruch genommen werden.
Rz. 383
Problematisch wird es, wenn der Geschädigte von Anfang an erkennen konnte, dass er einen erheblichen, weit über den Verlust des Schadensfreiheitsrabattes in der bestehenden Kaskoversicherung hinausgehenden Teil des Schadens selbst tragen muss und dennoch Kredit in Anspruch nimmt statt seiner Kaskoversicherung. Das könnte dann als ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht angesehen werden (OLG München zfs 1984, 136).
Rz. 384
Tipp
Ist die Haftung der Gegenseite nach deren Ansicht fraglich und will diese erst die Ermittlungsakte abwarten, weil z.B. deren VN den Unfall anders schildert, bietet sich an, eine Zahlung "unter Rückforderungsvorbehalt" zu verlangen. Dabei handelt es sich rechtlich um ein zinsloses und vorübergehendes Darlehen des Versicherers. Lehnt der Versicherer das ab, steht einer Kreditaufnahme nichts mehr im Wege und deren Notwendigkeit ist unmittelbar gegeben.
Rz. 385
Allerdings ist der Geschädigte im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, ihm zur Verfügung stehende eigene Gelder auch zur Finanzierung des Schadens zu verwenden, soweit er sich in seiner Lebensführung nicht einzuschränken braucht. Unter Umständen, d.h. wenn der betreffende Gläubiger sich nicht mit einer Sicherungsabtretung zufriedengibt, muss er wegen fälliger Rechnungen in Vorlage treten (BGH VersR 1974, 331), soweit er dazu finanziell in der Lage ist. Ihm ist es auch zuzumuten, einen Überziehungskredit auf seinem Girokonto einrichten zu lassen. Dadurch entstandene Kontoführungsgebühren und Zinsen sind ihm als Folgeschaden zu erstatten.
Rz. 386
Er erhält dann den Kontoführungsschaden ersetzt. Es wäre aber ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht, wenn er – insbesondere ohne Zinsvergleich – einen (teureren) Ratenzahlungskredit in Anspruch nähme, statt sein Konto zu überziehen.
Rz. 387
Die Höhe des Zinsschadens bzw. der Finanzierungskosten ist durch Vorlage einer Bankbescheinigung oder der Kontoauszüge nachzuweisen.
Rz. 388
Tipp
Bei erheblichen Schäden, die notwendigerweise in Ermangelung eigener Geldmittel finanziert werden müssen, empfiehlt es sich für den Mandanten, ein gesondertes Konto (Unfall-Sonderkonto) einrichten zu lassen. Die gesamten, mit der Einrichtung und Führung dieses Kontos entstandenen Kosten und Gebühren sind durch die Vorlage der Kontoauszüge dieses Sonderkontos einfach und problemlos nachzuweisen. So wird auch die Problematik der Geheimhaltung des eigentlichen Kontos des Mandanten umgangen.
Rz. 389
Es wird die Auffassung vertreten, die Kosten der Kreditaufnahme (Kontoführungsgebühren, Bereitstellungszinsen, Kosten für Bescheinigungen) seien keine erforderlichen Aufwendungen i.S.v. § 249 BGB (so LG Düsseldorf zfs 1984, 331).
Rz. 390
Da diese aber ausschließlich durch das schädigende Ereignis und/oder das Regulierungsverhalten des Versicherers erforderlich geworden sind, handelt es sich um Folgeschäden (BGH VersR 1974, 90 und 143), die regelmäßig zum Herstellungsaufwand im Sinne vorgenannter Vorschrift zählen und deshalb zu ersetzen sind, es sei denn, es handelt sich um vermeidbare oder unverhältnismäßige Kosten (Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht).
Rz. 391
Der Geschädigte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von ihm veranlasste Kreditaufnahme erforderlich und wirtschaftlich vernünftig war (BGH VersR 1974, 90 und 143).