aa) "Mietwagenkrieg" von 1991–1996
Rz. 115
Zur Einführung soll als Beispiel für die Intensität, mit der gewaltsam wirtschaftliche Interessen durchgesetzt werden, ein kurzer historischer Überblick gegeben werden:
Rz. 116
Zum 31.10.1992 hatte der damalige "HUK-Verband" das bis dahin gültige, seit Jahren erfolgreich praktizierte Mietwagenabkommen mit den Autovermietern, wonach bei Anmietung eines um eine Preisgruppe niedrigeren Mietfahrzeugs und Anwendung der Mietwagenpreistabelle auf den Abzug ersparter Eigenkosten verzichtet wurde, gekündigt. Damit wurde eine Prozesslawine in noch nicht dagewesenem Ausmaß ausgelöst. Seinerzeit sollen fast 150.000 Mietwagenprozesse bei deutschen Gerichten anhängig gewesen sein, und man sprach sogar von einem regelrechten "Mietwagenkrieg".
Rz. 117
Problematisch war von Anfang an die Einseitigkeit der damaligen "HUK-Empfehlung 1.11.1992" bzw. später des "Preistableaus 15.4.1993". Sie führte zu dem Vorwurf des "Preisdiktates" des HUK-Verbandes gegenüber den wirtschaftlich schwächeren Mietwagenunternehmen. Durch Beschluss des Bundeskartellamtes vom 22.6.1993 wurde die "HUK-Empfehlung 1.11.1992" als "wettbewerbswidrig" aufgehoben und die sofortige Vollziehung des Kartellamtsbeschlusses verfügt.
Rz. 118
Das Kammergericht hatte dann in einem Beschl. v. 16.7.1993 (Az.: Kart 11/93) die Anordnung der sofortigen Vollziehung wieder aufgehoben und vertrat die Auffassung, das öffentliche Interesse oder die überwiegenden Interessen der Beteiligten geböten i.S.d. § 63a Abs. 1 GWB a.F. diese Anordnung nicht.
Rz. 119
Jedenfalls gelten diese alten und bewährten Vereinbarungen nicht mehr. An die Stelle des "Mietwagenabkommens" ist eine unübersehbare Zahl von bilateralen Einzelvereinbarungen getreten, die kein Anwalt mehr überblicken kann.
Rz. 120
Infolge der nachstehend beschriebenen neuen Rechtsprechung des BGH (vgl. unten Rdn 137 ff.) zu dem Ersatz von Mietwagenkosten haben die Versicherer jetzt ihre eigenen Mietwagenpreise regelrecht "erfunden". Was unter dem Begriff des "ortsüblichen Mietwagenpreisniveaus" zu verstehen ist, bestimmen die Versicherer. Denn überprüfen kann das außergerichtlich niemand, es bleibt also in der Regel nichts anderes übrig, als diese Fragen im gerichtlichen Verfahren durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen. Das führt zu einer gigantischen Mehrbelastung der Gerichte infolge dadurch bedingter Prozessflut. Somit entsteht ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden nur deshalb, weil es der Versicherungswirtschaft um ihre eigenen wirtschaftlichen Vorteile geht, die gnadenlos durchgeboxt werden. Dabei funktionierte das damalige Mitwagenabkommen vollkommen reibungslos und erfreute sich der einhelligen Akzeptanz aller Beteiligten.
bb) Versicherungseigene Mietwagenunternehmen "Car-Partner"
Rz. 121
Im Zuge des – auch gegenwärtigen – Mietwagenstreits gründeten einige Versicherer eigene Mietwagenunternehmen, z.B. die Firma "Car-Partner", und begannen, zu Tiefstpreisen Fahrzeuge – teilweise aus eigenen Beständen – zu vermieten (AG Mannheim zfs 1996, 215). In den ersten Kontaktaufnahmeschreiben der Versicherer an die Geschädigten wird für "Car-Partner" oder ähnliche Mietwageninstitutionen geworben. All das ist den Versicherern inzwischen untersagt worden (Beschluss des Bundeskartellamtes zur Untersagung von "Car-Partner", NZV 1995, 346 ff.; OLG Düsseldorf zfs 1995, 333 ff. = NZV 1995, 450 f. = DAR 1995, 252: wettbewerbswidriger Hinweis auf versicherungseigenen Autovermieter durch Haftpflichtversicherer). Auch der BGH hat mittlerweile den Geschäftsbetrieb von "Car-Partner" wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot untersagt (BGH DAR 1998, 311).
Rz. 122
Praktiziert wird das aber unverändert, nun jedoch in anderen Formen. Dem Geschädigten wird vorgespiegelt, er würde gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn er nicht die von dem Versicherer angebotenen günstigen Mietwagenangebote annehme, ggf. würde ein Ersatz der konkret bei ihm entstandenen Mietwagenkosten jedoch nur auf dem aufgeführten Niveau des Angebotes der Versicherer erfolgen. Somit würde er im Falle der Anmietung bei einer freien Mietwagenfirma auf einem Teil seiner Kosten sitzen bleiben. Ergebnis – ganz im Sinne der Versicherer – ist, dass der Geschädigte freie Mietwagenanbieter meidet. Das wiederum führt – ebenfalls gewollt – zu massiven wirtschaftlichen Verlusten der Mietwagenbranche. Auf der anderen Seite verdienen die Versicherer wiederum an der Vermietung ihrer eigenen Fahrzeugparks, und sei es auch nur indirekt durch deren Beteiligungen an den billig anbietenden Mietwagenfirmen.